Das humane Immunschwäche-Virus (englisch: human immunodeficiency virus, kurz: HIV oder HI-Virus) gehört zur Klasse der Retroviren und löst die Erkrankung AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome; deutsch: erworbenes Immunschwäche-Syndrom) aus. Die Erkrankung ist sehr heimtückisch, da das Virus vorrangig die T-Helferzellen (aber auch zum Teil Monozyten, Makrophagen oder auch spezielle Nervenzellen) befällt. Da T-Helferzellen die zentralen Vermittler des spezifischen Immunsystems sind, führt das HI-Virus zu einer starken Schwächung der Immunfunktion. Die Konsequenz ist eine erworbene Immunschwäche, sodass sogar schon harmlose Erkältungen für die Patienten tödlich verlaufen können.
Die ersten HIV-Infektionen wurden 1981 dokumentiert und das Virus erstmals 1983 isoliert. Seitdem hat sich das HI-Virus endemisch ausgebreitet. Nach Schätzungen der UNAIDS lebten 2021 weltweit rund 38,4 Millionen Menschen mit einer HIV-Infektion. Die jährliche Sterblichkeitsrate lag bei etwa 1,8 Millionen. In Deutschland waren bis dahin rund 70.000 Infizierte mit einer Sterblichkeit von rund 550 pro Jahr.
Das HI-Virus ist im Wesentlichen ein kugelförmiges Partikel mit einer durchschnittlichen Größe von etwa 0,1 µm (Abbildung 1). Das Erbgut des HI-Virus besteht aus zwei RNA-Strängen, die von einem Nukleokapsid (der Kapsel) und einer Lipiddoppelschicht umgeben ist. In der Lipiddoppelschicht sind Oberflächenproteine eingelagert. In der Kapsel sind neben dem Erbgut auch noch virale Proteine, wie das Enzym reverse Transkriptase, enthalten. Dieses Enzym schreibt während der Infektion die virale RNA in DNA um, die in das Wirtsgenom eingelagert wird.
Anders als bei der Influenza, erfolgt die Übertragung von HIV nicht über eine Tröpfcheninfektion, sondern durch die Übertragung infizierter Körperflüssigkeiten, wie z.B. Blut, Sperma, Vaginalflüssigkeit oder dem Flüssigkeitsfilm der Darmschleimhaut. Daher ist ein häufiger Übertragungsweg ungeschützter Geschlechtsverkehr mit einer infizierten Person. Aber auch infiziertes Blut kann im Zuge einer Bluttransfusion oder einer Nadelstichverletzung zur HIV-Übertragung führen.
Die Inkubationszeit kann sehr stark variieren. Kommt es zum Kontakt mit infektiösen Körperflüssigkeiten, können grippale Symptome zwischen 6 Tagen und 6 Wochen nach der Infektion auftreten. Sind nach 12 Wochen keine Antikörper gegen das HI-Virus nachweisbar, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Infektion ausgeschlossen sein.
Kommt es aber doch zur Infektion, dann sucht das HI-Virus gezielt nach Zellen, die den CD4-Rezeptor tragen. Dies sind hauptsächlich T-Helferzellen, aber auch andere Leukozyten wie Monozyten, Makrophagen oder dendritische Zellen können den CD4-Rezeptor tragen. Hat es eine Wirtzelle gefunden, dockt das HI-Virus mit seinen Oberflächenproteinen an den CD4-Rezeptor der Wirtszelle. Unter Verwendung eines Korezeptors (z.B. CXCR4 bei T-Zellen) verschmilzt die Lipiddoppelmembran des HI-Virus mit der Zellmembran der Wirtszelle und der Inhalt des Virus (Erbgut, die reverse Transkriptase und andere virale Proteine) wird in die Wirtszelle entlassen. Im Zytoplasma wird die reverse Transkriptase aktiv und schreibt die virale RNA in DNA um. Die umgeschriebene DNA wird dann in den Zellkern transportiert und von einem weiteren viralen Protein, der Integrase, in das Erbgut der Wirtszelle eingefügt. Nun enthält die Wirtszelle die virale Erbinformation und fängt an, diese in RNA abzulesen. Durch diesen Prozess kam auch der Name „Retrovirus“ zustande. Die neuen viralen RNA-Kopien werden in Proteine umgeschrieben und neue HIV-Vorläuferpartikel werden gebildet. Diese werden als reife Viren von der Wirtszelle abgeschnürt. Diesen Prozess bezeichnet man in der Fachsprache als Knospung (englisch: Budding). Beim Zusammenbauen und Abschnüren neuer Viren wird die Viruskapsel mit dem Wirtszellprotein Cyclophilin A bedeckt, das als eine Art Tarnung dient und zum Teil das Virus vor dem Immunsystem des Wirtes schützt (Abbildung 2).
Eine HIV-Infektion verläuft in mehrere Stadien. In der Akutphase kommt es nach der Inkubationszeit zu grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Nachtschweiß, Kopf- und Gliederschmerzen, Mattheit und teilweise auch Durchfall, Schluckbeschwerden und Hautausschlägen. Der Akutphase, die ein bis zwei Wochen andauern kann, schließt sich zunächst eine symptomfreie Phase an. Diese kann Monate bis Jahre andauern und mit Lymphknotenschwellungen in verschiedenen Körperregionen verbunden sein. In den ersten beiden Phasen ist der Patient zwar HIV-positiv (trägt also HIV in sich), hat aber noch kein AIDS.
In der chronischen Phase manifestiert sich die Erkrankung. Infolge der Immunschwächung kommt es zu einer Verschlechterung des Allgemeinbefindens, Haut- und Schleimhautveränderungen, aber auch zu Magen-Darm-Beschwerden. Der weitere Verlauf kann sich individuell sehr stark unterscheiden. Manche Patienten verbleiben weitgehend symptomfrei, bei anderen ist die Immunschwäche so weit vorangeschritten, dass schon harmlose virale oder bakterielle Erkrankungen zu starken, teils lebensbedrohlichen Komplikationen führen können. Diese schweren Verläufe (Manifestationen) werden dann als AIDS bezeichnet.
Die HIV-Therapie ist heutzutage sehr weit entwickelt und die Diagnose HIV muss kein Todesurteil mehr sein. Es stehen eine ganze Reihe von spezifischen Virusstatika zur Verfügung, die auf verschiedene Weise wirken. Dabei ist das Ziel, so früh wie möglich die Vermehrung der HI-Viren einzudämmen.
So können Medikamente wie z. B. Fusionsinhibitoren das Andocken des HI-Virus an die Wirtszelle verhindern. Andere Medikamente können die Virus-Replikation hemmen.