Bei dem KAR-Modell werden nicht die Leistungsvoraussetzungen des Sportlers in das Zentrum gerückt, sondern die mit der Bewegungsaufgabe einhergehenden Anforderungen. Diese Anforderungen ergeben sich zum einen aus den dem Körper zufließenden Informationen, sogenannte Informationsanforderungen, und die mit der Bewegung einhergehenden Druckbedingungen. Beide Anforderungsbereiche beeinflussen sich gegenseitig.
Die Informationen (Informationsanforderungen) einer Bewegungsaufgaben werden von dem Sportler über die Sinnesorgane (optisch, akustisch, taktil, kinästhetisch und vestibulär) wahrgenommen. Dabei werden die einzelnen Sinnesorgane je nach Sportart und Bewegung verschieden stark gefordert. So wird bei Ballsportarten der optische Sinn besonders stark beansprucht, während bei Turnübungen den kinästhetischen und vestibulären Sinnen eine dominante Rolle zukommt. Den fünf Sinnen fügt Neumaier aufgrund ihrer Wichtigkeit den Gleichgewichtssinn als sechste Anforderungskategorie hinzu.
Neben den Informationsanforderungen kann sich auch durch unterschiedliche Druckbedingungen der koordinative Anspruch einer Bewegung verändern. Als Druckbedingungen sind all jene Bedingungen zu verstehen, die den Sportler während der Ausführung einer bestimmten Bewegung unter Druck setzten.
Will ein Fußballer, der sich Nahe an der Seitenlinie befindet, zu seinem Mitspieler in den Strafraum flanken, so muss sein Pass eine gewisse Präzision (Präzisionsdruck) aufweisen und zudem im richtigen Moment (Zeitdruck) erfolgen. Zudem spielen weitere Faktoren, wie die Position der Mit- und Gegenspieler, das Maß an Muskeleinsatz sowie physisch und psychische Bedingungen, eine Rolle.
In dem KAR-Modell können die Druckbedingungen in fünf verschiedenen Kategorien unterteilt werden:
Nun sind alle Voraussetzung für die Konzeption eines Koordinationstrainings beschrieben worden. Ein solches Training setzt sich nach folgender Formel zusammen: Koordinationsschulung = Beherrschte Technik + Informationsanforderung + Druckbedingungen.
Soll eine bestimmte Technik bzw. koordinative Fähigkeit wie das Prellen im Handball geschult werden, können die einzelnen Parameter der Informationsanforderung (optisch, akustisch, taktil, kinästhetisch und vestibulär) und der Druckbedingungen (Präzisionsdruck, Zeitdruck, Komplexitätsdruck, Situationsdruck und Belastungsdruck) verändert werden. Vergleichbar ist diese Veränderung der Bedingungen mit einem Mischpult (siehe Grafik), bei dem Parameter einzeln modifiziert werden können.
Um das Beispiel des Prellens aufzugreifen, könnten beispielsweise die Druckbedingungen Komplexitätsdruck und Belastungsdruck verändert werden. Konkret könnte das bedeuten, dass ein Handballer im Training zwei Bälle gleichzeitig prellen muss (Komplexitätsdruck) oder während des Prellens eine längere Strecke mit erhöhter Geschwindigkeit laufen muss (Belastungsdruck). Die Informationsanforderungen können verändert werden, indem die visuelle Wahrnehmung z.B. durch eine Taucherbrille eingeschränkt wird und sich der Sportler so mehr auf seine taktile Wahrnehmung verlassen muss. Zur Steigerung der Gleichgewichtsanforderung kann beispielsweise ein wackliger Untergrund gewählt werden.
Die Druckbedingungen und Informationsanforderungen können jederzeit variabel und individuell verändert werden, sodass Koordinationstraining in jeglicher Form sehr vielfältig gestaltet werden kann. Neben dieser Vielfältigkeit sollte Koordinationstraining einen immer zu emotional anregenden Charakter schaffen, Überpotenziale schaffen und koordinativ anspruchsvolle Übungen bieten.