Um das Lernen sportlicher Bewegungen zu verstehen, wurde von Meinel und Schnabel das Dreiphasenmodell entwickelt. Dieses Lernmodell wird auch als „sensomotorische Regelungsvorgänge“ beschrieben. Das Dreiphasenmodell gliedert sich in die Phase der Grobkoordination, der Feinkoordination und der Feinstkoordination. Nach dem Durchlaufen all dieser Phasen kann eine Bewegung sehr genau ausgeführt werden und aus dem Ist-Zustand wird der Soll-Zustand.
Die Phase der Grobkoordination dient dem Erwerb der Bewegungsvorstellung und eines Grundablaufs der Bewegung in der Grobform. Die Verbesserung der Bewegungsqualität geht dementsprechend mit der Verbesserung der Bewegungsvorstellung einher.
Zu Beginn des Lernprozesses wird die Idealbewegung durch einen Lehrenden vorgemacht oder mithilfe von Material gezeigt. Dadurch entwickelt der Lernende eine erste Bewegungsvorstellung in seinem Motorkortex (=Hirnareal, in dem Bewegungsmuster gespeichert sind). Nach der Bildung einer Bewegungsvorstellung kommt es zur ersten Ausführung dieser Bewegung. Dadurch werden auf neuronaler Ebene erste Bahnen für diese Bewegung geschaffen. Diese ersten Bewegungen sind meist verkrampft, unökonomisch, wenig flüssig und wirken eckig.
Die qualitativen Bewegungsmerkmale sind nur schlecht ausgeprägt. Die Analysatoren, die dem Sportler eine Auskunft über seine Bewegungsausführung geben sollen, sind für diese Bewegung nur sehr spärlich ausgebildet. Am Anfang ist ein Soll-Ist-Vergleich kaum möglich, und die Korrektur der Bewegung erfolgt vorrangig über den akustischen und optischen Analysator. Der äußere Regelkreis dominiert, da keine kinästhetische Rückmeldung möglich ist. Daher ist der Sportler in dieser Phase besonders stark auf Informationen von außen, also durch den Trainer oder anderer Sportler, angewiesen.
Am Ende der Grobkoordination liegt die Bewegung in der Grobform vor, denn sie gelingt unter günstigen Bedingungen relativ fehlerfrei, ist aber nicht automatisiert. Dies zeigt sich dann, wenn äußere Bedingungen verändert werden, der Lernende ermüdet oder unkonzentriert ist.
Folgerungen für die Praxis:
Durch vielfaches Üben und Analysieren der Bewegung kann eine Überführung in die Phase der Feinkoordination stattfinden. Charakteristisch für die Phase der Feinkoordination ist, dass die Bewegungen immer flüssiger werden und die inter- als auch intramuskuläre Koordination steigt. Die Muskeln arbeiten exakter, ökonomischer und flüssiger.
Dadurch sind die qualitativen Bewegungsmerkmale deutlich besser ausgeprägt und die Bewegungstechnik (der aktuelle Ist-Wert) entspricht immer mehr dem angestrebten Soll-Wert.
Die inneren Analysatoren sind besser ausgeprägt und immer mehr Informationen werden durch den kinästhetischen und statico-dynamischen Analysator gewonnen. Durch die bessere Afferenzsynthese kann eine Bewegungskorrektur sehr viel genauer als in der Phase der Grobkoordination stattfinden. Die zunehmende Bewegungspräzision ist auf eine verbesserte Verarbeitung verbaler und vor allem kinästhetischer Informationen zurückzuführen. Der innere Regelkreis dominiert. Die Bewegungen der Feinkoordination sind noch besonders anfällig gegenüber internen und äußeren Störeinflüssen (z.B. Stress oder Witterungsbedingungen). Am Ende dieser Übungsphase liegt die Bewegungsbeherrschung in der Feinkoordination vor, da nun die Bewegungen unter konstanten Bedingungen nahezu fehlerfrei ausgeführt werden können.
Folgerungen für die Praxis:
Die Phase der Feinstkoordination und variablen Verfügbarkeit ist geprägt durch eine hohe Konstanz der Bewegung. Die Bewegung kann auch bei ungünstigen sowie ungewohnten Bedingungen ausgeführt und jederzeit sicher angewandt werden. Eine genaue Bewegungsvorstellung liegt jederzeit und uneingeschränkt vor und kann auch dementsprechend als Bewegungstechnik umgesetzt werden.
Neben einer hohen Bewegungs- und Ergebnispräzision kommt es zu einer Perfektionierung der Analysatoren und damit zu einer sehr genauen Informationsaufnahme und Verarbeitung. Kleinste Soll-Wert-Abweichungen können durch den optischen und kinästhetischen Analysator wahrgenommen und verbessert werden. Eine weitere Optimierung der Bewegung ist nicht auszuschließen, erfolgt jedoch deutlich langsamer als in den vorherigen Phasen. Die qualitativen Bewegungsmerkmale sind in dieser Phase sehr gut ausgeprägt.
Lernphasen | Grobkoordination | Feinkoordination | Feinstkoordination |
Erfüllung der motorischen Aufgabenstellung | Motorische Aufgabe wird nur bei günstigen Aufgabenbedingungen erfüllt. | Bei günstigen Bedingungen kann die Aufgabe genau ausgeführt werden, bei ungewohnten Bedingungen besteht Störanfälligkeit. | Bewegungsaufgabe kann auch unter erschwerten Bedingungen jederzeit erfüllt werden. |
Bewegungsausführung | Ausführung entspricht der Grundstruktur. Bewegungsmerkmale unzureichend ausgeprägt. | Bei günstigen Bedingungen entspricht die Bewegung dem jeweiligen Technikleitbild. Bewegungsmerkmale besser ausgeprägt. | Volle Beherrschung der Technik. Bewegungsmerkmale optimal ausgeprägt. |
Bewegungsvorstellung | Antizipation unvollkommen. Bewegungsvorstellung ungenau. | Antizipation stärker ausgeprägt. Bewegungsvorstellung präziser. | Differenzierte Antizipation. Bewegungsvorstellung sehr detailliert. |
Informationsaufnahme und -verarbeitung | Kinästhetischer Analysator unzureichend ausgeprägt. Informationsaufnahme erfolgt fast ausschließlich optisch. | Kinästhetischer Analysator verstärkt enthalten. Verarbeitung verbaler Informationen. Korrekturen werden besser integriert. | Hohe Präzision des kinästhetischen Analysators. Dominanz der Reafferenzen. Ausgeprägtes Bewegungsempfinden. Aufmerksamkeit kann verstärkt auf das taktische Geschehen gelenkt werden. |
Steuerung und Regelung | Unvollkommen, fast ausschließlich über den äußeren Regelkreis (keine Trennung von wichtigen und unwichtigen Informationen). Kompensation von Störungen nicht möglich. | Regelung aufgrund genauer Sollwertvorgabe. Hohe Bedeutung des inneren Regelkreises. Instabilität bei Störgrößen. | Auch bei Störgrößen wird das Ziel erreicht (hohe Stabilität bei unvermittelt auftretenden Soll-Ist-Wert-Differenzen). |
Das Lernmodell ist ein sehr häufiges Thema des Abiturs. Die drei Phasen des Lernmodells sollten in jedem Fall reproduktiv wiedergegeben werden können. Bei einigen Aufgaben wird verlangt den Trainingsstand eines Sportlers in eine der drei Phasen einzuordnen und diese Phase anschließend zu beschreiben. Wichtig ist auch bei der Erstellung eines Trainingsplans zur Vermittlung von Technik, auf das Niveau und die Lernphase des Anfängers zu achten. Ist dieser beispielsweise in der Grobphase, so könnte erwähnt werden, dass dem Anfänger Anweisungen von außen am besten helfen.