In 200 Jahren kann es gut sein, dass die Geschichte der Literatur neue Namen für die Epoche der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickeln wird. Derzeit orientiert sich die Bestimmung der „Epoche“ an den historischen Einschnitten, die diese Zeit geprägt haben:
Die Teilung Deutschlands führt auch zu zwei ganz unterschiedlichen Literaturformen.
Im Westdeutschland beherrscht zunächst die sogenannte „Kahlschlag-“ oder „Trümmerliteratur“ das Literaturgeschehen. Da sowohl Städte als auch Ideale und Werte durch den Krieg und das Naziregime in Schutt und Asche gelegt worden sind, bürgert sich dieser Begriff sehr bald ein. Autoren wie Wolfgang Borchert (1921-1947) und Heinrich Böll (1917-1985) beschreiben schonungslos die Realität, verzichten dabei, abgeschreckt vom Nazi-Propaganda-Jargon, auf eine pathetische und rhetorisch ausgefeilte Sprache. Thematisch werden der Krieg oder auch die Auswirkungen der Kriegserlebnisse häufig aufgegriffen (vgl. z.B. „Inventur“ von Günter Eich). Nach dem Vorbild der amerikanischen „Short Story“ setzt sich die Kurzgeschichte als sehr geeignete Form durch, da sie es schafft, wegen ihres geringen Umfangs auch in Zeitungen abgedruckt zu werden und somit ein großes Publikum erreichen kann, ohne dass man in den schwierigen Zeiten nach dem Krieg auf einen Verlag angewiesen ist.
Neben der oben beschriebenen Literatur gibt es ab den 50er Jahren einige wenige Autoren, die sich mit moderner und ungewohnter Erzähltechnik kritisch mit der politischen Entwicklung der BRD auseinandersetzen z.B. Wolfgang Koeppens (1906-1996), Günter Grass (1927-2015), H.M. Enzensberger (1927)). Diese Schriftsteller lassen sich alle der Gruppe 47 zuordnen. Dieser literarische Zusammenschluss, deren Mitglieder sich einmal jährlich treffen, hat einen großen Einfluss auf die Literatur in der BRD, denn sie suchen nach den Schrecken des 2. Weltkrieges einen Neuanfang, neue literarische Ausdrucksformen und Gelegenheiten, ein freiheitliches geistiges Klima in der noch jungen Demokratie entwickeln zu helfen. Da ihr gemeinsames Vorhaben im Jahre 1947 begann, nennen sie sich „Gruppe 47“.
In der DDR stellt der Staat seine Schriftsteller in den Dienst seiner sozialistischen Entwicklung und benennt deren Schaffen offiziell als Aufbauliteratur. Vorbild sollen z.B. Bertolt Brecht (1898-1956) oder Arnold Zweig (1887-1968) sein, da sie dem Marxismus nahestehende Autoren sind. Sie sind als Exilautoren mit größter Wertschätzung in der DDR aufgenommen worden. Der Versuch, die Schriftsteller auf den sozialistischen Realismus festzulegen (Merkmale dessen sind die Widerspiegelung der gesellschaftlichen Realität und Verständlichkeit für jedermann, Darstellung einer positiven Zukunftsperspektive mit einem vorbildlichen Helden im Zentrum), gepaart mit Zensur der SED-Kulturbehörden, führt zu Auseinandersetzungen mit den Künstlern und zur Flucht vieler Autorinnen und Autoren.
Weitere wichtige Autorinnen und Autoren, neben den oben genannten: Thomas Mann, Marie Luise Kaschnitz, Max Frisch, Alfred Andersch, Friedrich Dürrenmatt, Bruno Apitz.
Dieser historische Einschnitt ist geprägt vom Mauerfall im Jahr 1989. Diese Epoche wird derzeit auch als Gegenwartsliteratur bezeichnet, da es sich um den Zeitraum von 1990 bis heute handelt. Auch das mag in der Zukunft anders kategorisiert werden. Einige der Autorinnen und Autoren entstammen der bereits oben genannten Schriftstellergeneration (z.B. Enzensberger), andere sind noch ganz jung. Es lassen sich dennoch generationsübergreifend formal-ästhetische Überschneidungen benennen. Zentrales Thema ist die Erinnerung, die oftmals in die Gegenwart hineinwirkt (aufgegriffen werden z.B. immer wieder der Krieg bzw. der Nationalsozialismus, der Holocaust, aber auch das Leben in der DDR). Auch die Wiedervereinigung selbst wird nach 1989 zum zentralen Thema von Literatur, z.B. erzählt Clemens Meyers in seinem Roman „Als wir träumten“ 2006 von der Nachwendezeit. Die viel diskutierte Integrationskrise in Deutschland und Europa wird ebenfalls zum Thema literarischen Schaffens. Der Einfluss des Internets als Veröffentlichungsmedium tritt in Konkurrenz zum gedruckten Buch und zeigt Auswirkungen auf die Art des Schreibens (z.B. durch digitale Tagebücher und Blogs).
Postmoderne Einflüsse (Postmoderne bedeutet „nach“ der Moderne. Merkmale sind der Wegfall von Grenzen, Mischung von Erzählmodellen, Stilebenen und Genres) zeigen sich ebenso wie Popliteratur. Der Begriff Popliteratur ist nicht einheitlich definiert. Oft wird darunter eine Literatur von jungen Autoren mit einem ausgeprägten Hang zur Selbstinszenierung verstanden. Diese soll durch ihre populäre Schreibweise eine möglichst große Breitenwirkung erzielen. Die Literatur ist in erster Linie durch die Vielfalt der Stile gekennzeichnet.
Wichtige Autorinnen und Autoren der Gegenwartsliteratur sind z.B. Thomas Brussig, Ulla Hahn, Sarah Kirsch, Patrick Süskind, Heiner Müller, Bernhard Schlink, Uwe Timm, Christa Wolf und Juli Zeh. Günter Grass, Elfriede Jelinek und Herta Müller sind sogar mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden.