Auch wenn es sich bei den einzelnen Szenen des Dramas um viele kleine, auf den ersten Blick unzusammenhängende Ereignisse handelt, typisch für das offene Drama, gibt es doch einen Haupthandlungsstrang, der die einzelnen Figuren und deren Erlebnisse miteinander verbindet: Die Fragen „Warum bringt Woyzeck Marie um?“ und „Wie schuldig ist Woyzeck?“.
Das Drama zeigt also auf, welche Umstände dazu geführt haben, warum Woyzeck zum Mörder wurde und es geht der Frage nach, inwiefern Woyzeck schuldig ist, oder, vielleicht besser, wie schuldig er ist. Genau diese Frage war nämlich der Anlass, warum Büchner das Werk geschrieben hat – dazu später mehr.
Während Woyzeck und sein Freund Andres Stöcke schneiden, erzählt Woyzeck von einer Bedrohung durch übernatürliche Mächte. Andres versucht, dessen Angst durch ein Volkslied zu vertreiben. Woyzeck hört aber nicht auf, sondern fantasiert weiter: „Ein Feuer fährt um den Himmel und ein Getös herunter wie Posaunen.“ Als Trommeln zum Zapfenstreich rufen, endet die Szene.
Marie beobachtet zusammen mit ihrer Nachbarin Margreth den Zapfenstreich, beide sehen den Tambourmajor und sind von ihm angetan: „Er steht auf seinen Füßen wie ein Löw“. Die Nachbarin beobachtet und kommentiert Maries Schwärmen abschätzig, indem sie ihr unanständiges Verhalten vorwirft, während sie selbst „honett“ (anständig) sei, worauf Marie ihr unterstellt, nur neidisch auf ihre Attraktivität zu sein.
Woyzeck besucht seine Geliebte und ihr gemeinsames Kind und erzählt von einem geheimnisvollen „Es“, das ihn verfolgt hat, außerdem zeigt er sich gehetzt, weil er bis zur Anwesenheitskontrolle wieder in der Kaserne sein muss. Marie wundert sich über sein verschrecktes Verhalten und bedauert, dass Woyzeck vor lauter Gedanken noch nicht einmal sein Kind angesehen hat.
In dieser Szene geht es vor allem um die Vorstellung und Charakterisierung Maries sowie um einen ersten Eindruck zur Beziehung zwischen Marie und Woyzeck: Der Zuschauer/Leser lernt Marie im erstem Moment als Mutter eines Kleinkindes kennen, erfährt jedoch auch, dass sie keinesfalls die typische, ehrbare Mutter ist – vielmehr wird sie als Außenseiterin der Gesellschaft vorgestellt, die sich selbst als Hure ansieht, aber trotz des „Fehltritts“ und dem Resultat des unehelichen Kindes nicht davor scheut, ihre Sexualität auszuleben – so zeigt sie sich als begehrende und zugleich begehrte Frau. Außerdem erfährt man, dass sie offensichtlich im Alltag vielen Konflikten ausgesetzt ist: Das Leben mit ihrer Nachbarin, vermutlich in engen Verhältnissen zwischen vielen Menschen, ist von Neid und Rivalität sowie gegenseitiger moralischer Kontrolle geprägt.
Das Lied, das sie singt, schließt sich an ihre Selbstreflexion an: Hier werden die Werte der einfachen Menschen sowie deren Wünsche dargestellt. In der ersten Strophe wünscht sich Marie, dass ihr Status als unverheiratete Mutter keine Rolle für ihr Lebensglück spielen sollte, während in der zweiten Strophe anhand des Vergleichs mit den Pferden der Wunsch offenbart wird, im Luxus leben zu können (sie bestehen auf Wein anstatt auf Hafer und Wasser).
Woyzecks Auftritt nun wendet den Blick des Lesers auf die Beziehung der beiden: Woyzeck ist wieder gehetzt und lässt sich keine Zeit die Einladung Maries in die Wohnung anzunehmen, um sie und das Kind zu sehen. Marie bemerkt den verwirrten Zustand Woyzecks, doch kann trotz ihrer Nachfragen den Grund nicht erfahren und ihn auch nicht wieder zur Besinnung bringen, sodass deutlich wird, dass es keine echte Kommunikation zwischen dem Paar gibt. Sorgen, emotionale Kälte und fehlende Zweisamkeit prägen die Beziehung.
Woyzeck selbst wird zudem in der Abhängigkeit von seinen Vorgesetzten präsentiert.