Durch das Fenster eines Wirtshauses sieht Woyzeck Marie und den Tambourmajor miteinander tanzen und sieht ein, dass Marie für ihn verloren ist: „Wie er an ihr herumtappt, an ihrem Leib, er, er hat sie wie ich zu Anfang!“
In dieser Szene ist auf inhaltlicher Ebene vor allem relevant, dass Woyzeck die Affäre von Marie und dem Tambourmajor nun bewiesen bekommt, weil Marie so dreist ist, öffentlich mit ihrem Liebhaber zu tanzen. Es handelt sich hierbei also um eine Schlüsselszene auf dem Weg zum Mord an Marie.
Woyzeck resigniert ob dieser Erkenntnis und sieht in Maries Betrug den Beweis, dass die Menschheit allgemein moralisch verkommen ist, sie alle sind nur von sexueller Lust getrieben und wollen es treiben wie die primitivsten Lebewesen (hier Mücken).
Insgesamt kann man diese Szene also als Spiegel der Gesellschaft lesen: Alle Männer in dieser Szene sind getrieben von gegenseitigem Kräftemessen und Sex. Sinnfragen, die sich in ihrem Alkoholrausch ergeben, werden durch noch mehr Alkohol erstickt. Auch allgemein sind die Menschen geprägt von Egoismus, Werte- und Tugendlosigkeit, sodass ein Leben innerhalb einer treuen Beziehung nicht möglich ist.
Woyzeck hört Stimme n, die ihm befehlen, Marie zu erstechen („Stich, stich die Zickwolfin tot. Soll ich? Muss ich? Hör ich’s da auch, sagt’s der Wind auch? Hör ich’s immer, immer zu, stich tot, tot.“)
Diese Szene macht den fortschreitenden Wahnsinn, angetrieben durch die Offenbarung von Maries Betrug, deutlich. Außerdem wird der konkrete Mordplan vorbereitet und in Zusammenhang mit den Wahnvorstellungen Woyzecks gebracht. Die Zurechnungsfähigkeit Woyzecks wird also schon hier in Frage gestellt.
Sprachlich zeigen sich die Orientierungslosigkeit und die Aufregung des Betrogenen. Die vielen Wechsel zwischen Aussage-, Frage- und Ausrufesätzen, aber auch die abgehackte Struktur sind sinnbildlich zu lesen.
In der Nacht weckt Woyzeck Andres und berichtet ihm, dass er nicht schlafen könne, weil er die tanzenden Menschen vor sich sehe und er Stimmen höre: „Es redt immer: Stich! Stich!“ Doch Andres geht auf die Mordvisionen und Stimmen, die Woyzeck hört, nicht ein und rät ihm nur, er solle „Schnaps mit Pulver drin“ trinken, um sein Fieber zu beruhigen.
Diese Szene verdeutlicht, dass Andres die Wahnvorstellungen Woyzecks mittlerweile nicht mehr ernst nimmt und sich an diese als Dauerzustand gewöhnt hat – die Mordgedanken entgehen im völlig. Gleichzeitig zeigt sie aber auch, dass sich eben diese Gedanken bei Woyzeck immer mehr verfestigen, ja, dass die Stimmen ihn überall verfolgen.
Woyzeck und der Tambourmajor befinden sich im gleichen Wirtshaus. Der Tambourmajor ist schon ordentlich betrunken und prahlt damit, was für ein toller Mann er sei. Außerdem sucht er Streit („Wer will was? Wer kein besoffen Herrgott ist, der lass sich von mir, Ich will ihm die Nas ins Arschloch prügeln.“)
Daraufhin spricht er Woyzeck direkt an und will, dass dieser Schnaps säuft. Woyzeck täuscht vor, nichts mitbekommen zu haben, woraufhin der Tambourmajor ihn schnappt und ihm droht.
Woyzeck wird im Ringkampf vom Tambourmajor besiegt. Dieser macht sich mit den Worten „Soll ich dir noch so viel Atem lassen als en Altweiberfurz, soll ich?“ über ihn lustig. Die anderen Gäste kommentieren den Kampf, greifen jedoch nicht ein. Während der Tambourmajor weitertrinkt, sagt Woyzeck zu sich selbst „Eins nach dem andern.“
Hier haben wir wieder eine Schlüsselszene auf dem Weg zum Mord: Während Woyzeck bisher hauptsächlich von Vorgesetzen und Menschen der Oberschicht drangsaliert und gedemütigt wurde, sich aber noch auf Marie als Anker verlassen konnte, erfährt er nun durch deren Betrug schon eine tiefe emotionale Verletzung. Nun unterliegt er auch körperlich einem gesellschaftlich Gleichgestellten und verliert somit auch seine letzte Achtung. Gegen die Männlichkeit seines Rivalen (definiert durch Körperkraft, Trinkfähigkeit und Gewaltbereitschaft) kann sich Woyzeck wegen seiner schlechten Verfassung nicht wehren.
Auch hier wird der Gesellschaft wieder der Spiegel vorgehalten, ähnlich wie in der letzten Wirtshausszene: Anstatt, dass sich die soziale Unterschicht gegenseitig unterstützt, geben sie sich dem Alkohol hin und suchen gewalttätige Auseinandersetzungen. Der Tambourmajor wird hier als Paradebeispiel dieses Typus präsentiert: primitiv, stark, ungebildet und davon getrieben, seine eigene Männlichkeit durch Gewalt zu beweisen.
Woyzeck selbst gelangt durch die Auseinandersetzung zur Erkenntnis, dass er Marie nicht mehr zurückgewinnen kann. Er ist verletzt und wütend über den Betrug, verfällt wegen der Mangelernährung ohnehin dem Wahnsinn und all seine Versuche, sich gegen die gesellschaftliche Unterdrückung aufzulehnen, scheitern. Sein einziger Ausweg: Der Mord an Marie, dessen Planung durch den letzten Satz der Szene angedeutet wird.