Büchner griff bei seinem Drama „Woyzeck“ auf einen realen Kriminalfall zurück, der zu seiner Zeit viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erregte.
Der am 3. Januar 1780 in Leipzig geborene Johann Christian Woyzeck, Sohn eines Perückenmachers, erstach am 21. Juni 1821 aus Eifersucht seine Geliebte, die Witwe Johanna Christiane Woost. Im Prozess wurden Bewusstseinsstörungen Woyzecks angesprochen, sodass die Verteidigung auf Unzurechnungsfähigkeit plädierte. Daraufhin wurde ein Gutachten zum Geisteszustand des Angeklagten beauftragt, welches vom Hofrat Doktor Clarus verfasst wird. In seinem ersten Gutachten kommt er zu dem Schluss, dass Woyzeck zwar „moralische Verwilderung [und] Abstumpfung gegen natürliche Gefühle“ aufweise, jedoch keine geistige Störung. Erstmals wurde Woyzeck daher 1821 zum Tode verurteilt. Neue Zeugenaussagen, die eine Geisteskrankheit Woyzecks vermuten ließen, führten dazu, dass die Hinrichtung verschoben wurde. Ein neues Gutachten, wieder von Dr. Clarus, beurteilte Woyzeck anschließend aber wieder als zurechnungsfähig und sein Gnadengesuch wurde abgelehnt. Doktor Clarus führt die Sinnestäuschungen Woyzecks (er hörte Stimmen, die ihm befahlen, seine Geliebte zu töten) auf dessen unordentlichen Blutumlauf sowie seine „Arbeitsscheu, Spiel, Trunksucht, ungesetzmäßige Befriedigung der Geschlechtslust und schlechte Gesellschaft“ (Vorrede zum Gutachten) zurück und spricht ihm damit alleinige Verantwortung zu. Am 24. August 1824 wurde Woyzeck in Leipzig auf dem Marktplatz öffentlich hingerichtet.
Georg Büchners Vater hatte die Zeitung „Henkes Zeitschrift für Staatsarzneikunde“, in der die Gutachten des Hofrats Clarus erschienen, abonniert und es wird vermutet, dass Büchner so von dem Mordfall erfuhr und ihn als Vorbild für sein Drama nahm. Mit diesem wollte Büchner seine Sicht auf den Fall darlegen und nachweisen, dass Woyzeck eben nicht die alleinige Schuld zu tragen hat: Dessen geistige Verwirrung ist, so Büchner, nicht aus physiologischer Sicht zu begründen, sondern auf gesellschaftlich-soziale Ursachen zurückzuführen – damit zeigt sich Büchners deterministisches Weltbild.
Auch das Erbsen-Experiment des Doktors geht auf ein reales Ereignis zurück: Der Wissenschaftler Justus von Liebig setzte Soldaten auf eine dreimonatige Erbsen-Diät, bei der sie nur Erbsenbrei essen durften. So wollte er erforschen, ob man Soldaten und arme Leute günstiger ernähren könne, wenn man sie mit eiweißreichen Hülsenfrüchten wie Erbsen als Ersatz für Fleisch versorgt. Jedoch litten die Probanden an den Folgen einer Vergiftung mit nicht-proteinogenen Aminosäuren und entwickelten Halluzinationen und einen abnehmenden Muskeltonus inklusive des Schließmuskels mit Störung der Blasenfunktion, wie es auch in Büchners „Woyzeck“ beschrieben wird.
Funfakt: In manchen Erbsen-Anbauländern wie Äthiopien oder Bangladesh kann es immer noch durch einseitige Ernährung zu diesen Symptomen kommen. Dafür verantwortlich ist der Stoff Beta-Isoxazolin-5-on-2-yl-alanin, kurz BIA, der im Körper zum toxischen BOAA umgewandelt wird. Die Halluzinationen werden durch das in Erbsen enthaltene DOPA ausgelöst.