Ein zentraler Bestandteil des Romans ist zweifelsfrei seine politisch geprägte Ebene. Das hier dargestellte Gesellschaftssystem einer nahen Zukunft zeichnet sich vor allem durch die technologisch immer versierteren Formen von Überwachung aus, welche es sich vor allem zum Ziel gesetzt haben, die Gesundheit der Bevölkerung als eine Staatspriorität durchzusetzen und somit als allgemeines Ziel festzulegen, dem alle Menschen im Sinne eines gemeinschaftlichen Interesses nachzustreben haben.
Auch die Justiz ist in dieses System in der Hinsicht verwoben, dass es eben auch zu Bestrafungen für diejenigen Menschen kommt, die beispielsweise einen gesunden Lebensstil ihrerseits vernachlässigen und demnach gleichsam sich auflehnend die übergeordnete Agenda des Staates gefährden. Der Staat greift also aktiv in die Lebensgestaltung seiner Bevölkerung ein und kontrolliert diese.
Es werden in diesem Roman also die Konturen eines Überwachungsstaates skizziert, der – mit dem Vorwand des höheren Wohls – in die Privatsphäre der Menschen eingreift.
Außerdem wird gleichzeitig durch den Fall rund um Mias Bruder deutlich, dass solch staatliche Macht immer auch die Gefahr beziehungsweise das Potenzial zum Missbrauch birgt und einer durchaus propagandistischen Prägung unterliegen kann.
Der Roman regt durch den Blick hinter die zwar fiktiven, jedoch keinesfalls völlig realitätsfernen Kulissen eines Systems politischer Machterhaltung seine Leserinnen und Leser an, solche nicht unfehlbaren Machtstrukturen zu hinterfragen. Gerade in Bezug auf Überwachung sind schließlich schon in heutiger Zeit einige Missstände ans Licht getreten, gegen welche übrigens auch die Autorin Juli Zeh selbst öffentlich protestiert hat.
Der zentrale Konflikt des Romans lässt sich nun wohl auf die Frage danach zuspitzen, ob im Zweifel das Wohl der Allgemeinheit oder das Wohl des Individuums als höherwertig einzuschätzen ist. „Wohl“ ist im hiesigen Fall sogar recht wörtlich zu verstehen, da der Roman von Gesundheit, also gesundheitlichem Wohl handelt. Wie weit sollte also der Staat nun in die persönliche Freiheit jedes Menschen eingreifen dürfen, um das Wohl der Allgemeinheit zu sichern?
Der Staat, welcher in diesem Roman von einer streng wissenschaftlichen Doktrin geleitet wird, wähnt sich mit der Grundlage eben solcher Wissenschaftlichkeit derart im unantastbaren Recht, dass es zu politischer Verfolgung oder – wie im Fall von Mia Holl – zu gar folterähnlichen Unterdrückungsmaßnahmen „methodenfeindlicher“ Systemgegnerinnen und Systemgegnern kommt. Moritz, Mias Bruder und gewissermaßen die Personifikation der Selbstbestimmung, wurde als Methodenfeind ebenfalls systematisch diffamiert und gleichsam zu Propagandazwecken missbraucht.
Das Recht auf Selbstbestimmung des Individuums in demokratischem Sinne gelte es folglich zu verteidigen, sofern bürgerliche Freiheitsrechte einer (politischen) Ideologie untergeordnet werden. So legt es der durchaus politisch motivierte Roman mit seiner Handlung nahe.
Das Genre der Science-Fiction untermalt die behandelten Thematiken des Romans äußerst treffend. Zum einen ist die Handlung in einer (nahen) Zukunft angesiedelt, zum anderen sind Formen technologischen Fortschritts die grundlegenden Werkzeuge zur Überwachung geworden. Weiterhin illustriert der Fokus auf die technischen Errungenschaften auch in gewisser Weise die zunehmende menschliche Herzlosigkeit in einer Gesellschaft, in welcher die Menschen selbst quasi maschinengleich zu funktionieren haben und eine Kultur zwischenmenschlicher Kälte pflegen.
Gepaart wird dieses Genre hier noch mit Merkmalen des Kriminalromans, denn Mia kommt teils durch investigative Recherchen den dunklen Machenschaften des Staates beziehungsweise der journalistischen Instanz rund um Heinrich Kramer Stück für Stück auf die Schliche und deckt so den Skandal über ihren fälschlicherweise verurteilten Bruder auf.
Auch wenn gerade Science-Fiction oft für eher abgedrehte, unrealistische Handlungen steht, weist das hier Dargestellte durchaus Parallelen zur Wirklichkeit auf und lässt die Geschehnisse im Roman keinesfalls als gänzlich unmöglich erscheinen. Der Roman führt seinen Leserinnen und Leser somit die potentiell gefährlichen Ergebnisse von vermeintlich kleinen politischen Eingriffen in individuelle Persönlichkeitsrechte, welche sich schleichend zu letztlich radikalen Veränderungen zu entwickeln vermögen, direkt vor Augen.