Faust und Gretchen lernen sich durch die tatkräftige Unterstützung Mephistos kennen. Ihr Verhältnis führt zu einer dramatischen Entwicklung mit drohender Hinrichtung Gretchens.
Wie bereits angedeutet, ist die Gretchentragödie sowohl für sich genommen ein eigener und unter diesem Aspekt zu betrachtender Abschnitt der Tragödie „Faust“, als auch ein Teil der Weltfahrt und damit ebenfalls im Zusammenhang mit dieser zu betrachten. Deshalb hier einige Erläuterungen für das Gesamtverständnis.
Beginnen wir damit, die Tragödie für sich allein zu betrachten. Warum fügt Goethe diese ein, wo sie doch in keiner Weise zur ursprünglichen Faust-Sage gehört? Hier gibt es drei wichtige Aspekte, die es zu bedenken gibt:
Gretchen als Gegenfigur zu Faust:
Worin besteht diese Polarität zwischen Gretchen und Faust?
Hierzu muss man zunächst bedenken, dass Gretchen, obwohl sie ihr Kind tötet und den Tod ihrer Mutter zumindest mitverschuldet hat, von Gott am Ende ihrer Tragödie gerettet wird; sie darf nach ihrem Tod ins Himmelreich. Warum das? Wir wissen bereits durch die Figur des Faust, dass man dem göttlichen Seelenteil folgen muss, um letztlich dem göttlichen Menschenbild zu entsprechen. Bei Faust bedeutet das: Streben nach höherer Erkenntnis. Dabei darf man nicht vergessen, dass es durchaus erlaubt ist, dass man sich mal irrt und vom Weg abkommt, solange man nicht aufhört, „strebend sich [zu] bemühen“ (Prolog).
Wonach aber strebt Gretchen? Sie ist doch in ihrer kleinbürgerlichen Welt gefangen, mit Fausts hochtrabenden Interessen kann sie nichts anfangen – nach höherer Erkenntnis kann sie also nicht verlangen. Wenn man nun aber prüft, was das Handeln Gretchens in ihrer Tragödie antreibt, ist das immer die Liebe. Schon als junges Mädchen opfert sie sich aus Liebe zu ihrer Mutter und ihrem kleinen Geschwisterchen auf, um dieses zu versorgen. Ihre Liebe zu Faust treibt sie dazu, sich ihm hinzugeben, obwohl sie genau weiß, welche negativen Folgen unehelicher Sex für sie haben könnte. Trotz des Verrats durch Faust, der sie schmählich ihrem Schicksal überlässt und zur Walpurgisnacht aufbricht, der sich mit dem Teufel verbündet hat, hört Gretchen nicht auf, ihn zu lieben. Sie gibt ihm keine Schuld an ihrer Situation, sie sehnt sich weiterhin nach ihm, selbst im Kerker noch und obwohl sie sich vor ihm graut, was durch ihre Ausrufe „Heinrich!“ deutlich wird. Indem also Gretchen bedingungslos liebt, wegen dieser Liebe alles verzeiht und alles auf sich nimmt, wird diese Liebe zu ihrem himmlischen, höheren Ziel, nach dem sie strebt. So zeigt Goethe zwei Erlösungswege für die Menschheit: Faust beweist irrendes, aber dauerndes Streben nach übermenschlichem Wissen, Gretchen beweist unbeirrte und unbedingte Liebe. Faust und Gretchen sind also Gegenfiguren, aber nicht sich abstoßende, sondern sich ergänzende.
Gretchen als Gegenfigur zu Mephisto:
Gretchen als Gegenfigur zu Mephisto zu erkennen, ist sicherlich offensichtlicher als ihre Rolle der Gegenfigur Fausts. Schließlich wird sehr schnell deutlich, dass Gretchen sehr fromm ist und aus tiefstem Herzen an die christliche Lehre glaubt. Daraus resultiert auch, dass sie vom ersten Augenblick an in Mephisto den Teufel spürt. Bringt man nun ihre Rolle als fromme Christin in Verbindung mit ihrer unbedingten, selbstaufopfernden Liebe, so kann man sogar Parallelen zwischen ihr und der Christusfigur erkennen. Natürlich ist Gretchen keinesfalls so schuldlos wie Christus, allerdings ist sie im Kerker bereit, sich ihrer Schuld zu stellen, symbolisch wird der Kerker von Gretchen sogar zum „heilgen Ort“ erklärt, sie trennt sich von Faust und widersagt mit dieser Entscheidung auch dessen mephistophelischer Seele. Damit ist sie gerettet. Noch deutlicher ist aber, dass sie sich quasi zum Opferlamm für Faust macht, sie übernimmt dessen Schuld. Faust hat sich an ihr schuldig gemacht und er folgt weiter seiner mephistophelischen Seele, er strebt weiter danach, gottgleich zu werden und sühnt keineswegs. Gretchen nimmt alle Schuld auf sich, spricht ihn von seiner Schuld frei und nimmt den Tod als Strafe dafür hin.
Die Gretchentragödie als Gesellschaftskritik: Was passiert eigentlich auf Handlungsebene? Gretchen und Faust verlieben sich über die vermeintlichen Standesgrenzen hinweg (Faust tritt ihr gegenüber ja als Junker auf). Er verführt das unschuldige und tugendhafte Mädchen. Dann wird sie von ihrem Geliebten schmählich im Stich gelassen, weil er das Interesse an ihr verloren hat, sobald sie sich ihm hingegeben hat, und er erkennt, dass sie doch nicht so faszinierend ist, wie er glaubte. Sie ist schwanger und wird dafür von ihrem sozialen Umfeld wie auch ihrer Familie und der Kirche geächtet und geschmäht. Durch diese Umstände verzweifelt Gretchen, sie zeigt Zeichen von Wahnsinn und tötet ihr Kind, woraufhin sie zum Tode verurteilt wird. Damit erfüllt die Gretchentragödie auch die typischen Merkmale eines bürgerlichen Trauerspiels und kann in diesem Sinne als kritische Auseinandersetzung mit den Vorstellungen der bürgerlichen Welt im Sinne z.B. Lessings gelesen werden.
Faust und Gretchen lernen sich durch die tatkräftige Unterstützung Mephistos kennen. Ihr Verhältnis führt zu einer dramatischen Entwicklung mit drohender Hinrichtung Gretchens.
Wie bereits angedeutet, ist die Gretchentragödie sowohl für sich genommen ein eigener und unter diesem Aspekt zu betrachtender Abschnitt der Tragödie „Faust“, als auch ein Teil der Weltfahrt und damit ebenfalls im Zusammenhang mit dieser zu betrachten. Deshalb hier einige Erläuterungen für das Gesamtverständnis.
Beginnen wir damit, die Tragödie für sich allein zu betrachten. Warum fügt Goethe diese ein, wo sie doch in keiner Weise zur ursprünglichen Faust-Sage gehört? Hier gibt es drei wichtige Aspekte, die es zu bedenken gibt:
Gretchen als Gegenfigur zu Faust:
Worin besteht diese Polarität zwischen Gretchen und Faust?
Hierzu muss man zunächst bedenken, dass Gretchen, obwohl sie ihr Kind tötet und den Tod ihrer Mutter zumindest mitverschuldet hat, von Gott am Ende ihrer Tragödie gerettet wird; sie darf nach ihrem Tod ins Himmelreich. Warum das? Wir wissen bereits durch die Figur des Faust, dass man dem göttlichen Seelenteil folgen muss, um letztlich dem göttlichen Menschenbild zu entsprechen. Bei Faust bedeutet das: Streben nach höherer Erkenntnis. Dabei darf man nicht vergessen, dass es durchaus erlaubt ist, dass man sich mal irrt und vom Weg abkommt, solange man nicht aufhört, „strebend sich [zu] bemühen“ (Prolog).
Wonach aber strebt Gretchen? Sie ist doch in ihrer kleinbürgerlichen Welt gefangen, mit Fausts hochtrabenden Interessen kann sie nichts anfangen – nach höherer Erkenntnis kann sie also nicht verlangen. Wenn man nun aber prüft, was das Handeln Gretchens in ihrer Tragödie antreibt, ist das immer die Liebe. Schon als junges Mädchen opfert sie sich aus Liebe zu ihrer Mutter und ihrem kleinen Geschwisterchen auf, um dieses zu versorgen. Ihre Liebe zu Faust treibt sie dazu, sich ihm hinzugeben, obwohl sie genau weiß, welche negativen Folgen unehelicher Sex für sie haben könnte. Trotz des Verrats durch Faust, der sie schmählich ihrem Schicksal überlässt und zur Walpurgisnacht aufbricht, der sich mit dem Teufel verbündet hat, hört Gretchen nicht auf, ihn zu lieben. Sie gibt ihm keine Schuld an ihrer Situation, sie sehnt sich weiterhin nach ihm, selbst im Kerker noch und obwohl sie sich vor ihm graut, was durch ihre Ausrufe „Heinrich!“ deutlich wird. Indem also Gretchen bedingungslos liebt, wegen dieser Liebe alles verzeiht und alles auf sich nimmt, wird diese Liebe zu ihrem himmlischen, höheren Ziel, nach dem sie strebt. So zeigt Goethe zwei Erlösungswege für die Menschheit: Faust beweist irrendes, aber dauerndes Streben nach übermenschlichem Wissen, Gretchen beweist unbeirrte und unbedingte Liebe. Faust und Gretchen sind also Gegenfiguren, aber nicht sich abstoßende, sondern sich ergänzende.
Gretchen als Gegenfigur zu Mephisto:
Gretchen als Gegenfigur zu Mephisto zu erkennen, ist sicherlich offensichtlicher als ihre Rolle der Gegenfigur Fausts. Schließlich wird sehr schnell deutlich, dass Gretchen sehr fromm ist und aus tiefstem Herzen an die christliche Lehre glaubt. Daraus resultiert auch, dass sie vom ersten Augenblick an in Mephisto den Teufel spürt. Bringt man nun ihre Rolle als fromme Christin in Verbindung mit ihrer unbedingten, selbstaufopfernden Liebe, so kann man sogar Parallelen zwischen ihr und der Christusfigur erkennen. Natürlich ist Gretchen keinesfalls so schuldlos wie Christus, allerdings ist sie im Kerker bereit, sich ihrer Schuld zu stellen, symbolisch wird der Kerker von Gretchen sogar zum „heilgen Ort“ erklärt, sie trennt sich von Faust und widersagt mit dieser Entscheidung auch dessen mephistophelischer Seele. Damit ist sie gerettet. Noch deutlicher ist aber, dass sie sich quasi zum Opferlamm für Faust macht, sie übernimmt dessen Schuld. Faust hat sich an ihr schuldig gemacht und er folgt weiter seiner mephistophelischen Seele, er strebt weiter danach, gottgleich zu werden und sühnt keineswegs. Gretchen nimmt alle Schuld auf sich, spricht ihn von seiner Schuld frei und nimmt den Tod als Strafe dafür hin.
Die Gretchentragödie als Gesellschaftskritik: Was passiert eigentlich auf Handlungsebene? Gretchen und Faust verlieben sich über die vermeintlichen Standesgrenzen hinweg (Faust tritt ihr gegenüber ja als Junker auf). Er verführt das unschuldige und tugendhafte Mädchen. Dann wird sie von ihrem Geliebten schmählich im Stich gelassen, weil er das Interesse an ihr verloren hat, sobald sie sich ihm hingegeben hat, und er erkennt, dass sie doch nicht so faszinierend ist, wie er glaubte. Sie ist schwanger und wird dafür von ihrem sozialen Umfeld wie auch ihrer Familie und der Kirche geächtet und geschmäht. Durch diese Umstände verzweifelt Gretchen, sie zeigt Zeichen von Wahnsinn und tötet ihr Kind, woraufhin sie zum Tode verurteilt wird. Damit erfüllt die Gretchentragödie auch die typischen Merkmale eines bürgerlichen Trauerspiels und kann in diesem Sinne als kritische Auseinandersetzung mit den Vorstellungen der bürgerlichen Welt im Sinne z.B. Lessings gelesen werden.
Nun zur Funktion der Gretchentragödie als Station der Weltfahrt Fausts: Mephisto plant die Begegnung mit Gretchen unter der Vorausdeutung der Hexenküche: „Du siehst mit diesem Trank im Leibe//Bald Helenen in jedem Weibe.“ Somit wird deutlich, dass Faust unter Einfluss eines den Geist verwirrenden Zaubertranks steht, der in ihm Begierde und Wollust weckt. Damit wird Gretchen zunächst zu einem beliebigen Sexualobjekt, das dazu dienen soll, Fausts „glühende Leidenschaften“ in den „Tiefen der Sinnlichkeit“ zu stillen, eine der Bedingungen, die Faust gestellt hat. Außerdem will Mephisto erreichen, dass Faust sich so sehr in der sexuellen Begierde verliert, dass er im „Faulbett“ des erotischen Genusses verweilen wird und sein Streben aufgibt.
Mephistos Plan geht allerdings – zumindest zunächst – schief: Zwar zeigt sich Faust erstmal tatsächlich hauptsächlich begehrlich, jedoch empfindet er spätestens beim Eindringen in Gretchens Kammer Liebe und das Verlangen nach einer tiefgehenden Beziehung zu ihr. Da diese Liebe nun tatsächlich gefährlich werden könnte, weil auch diese dann ja zum Streben nach dem Wunsch höchster Liebe geführt hätte und Faust damit keineswegs untätig geworden wäre, kann es nicht in Mephistos Sinn sein, dass diese Liebe zustande kommt. Somit ist es nicht verwunderlich, dass er sich durchaus bemüht, die Vertiefung der Beziehung zu verhindern. Glücklicherweise passiert genau das: Faust hat Gretchen und ihre bürgerliche Situation im ersten Moment idealisiert und überhöht, bald jedoch nach dem Sex vergeht diese Idealisierung, Faust erkennt, wenn auch eher unbewusst, dass sein Streben nach Lebensgenuss und Welterfahrung nicht mit dem sesshaften Leben Gretchens und deren Naivität und Einfältigkeit zusammenpassen. Dies zeigt sich daran, dass Fausts Seele nach der Liebesnacht verdüstert und „nächtig“ wirkt, er empfindet im Kerker zwar noch Mitleid und Reue gegenüber Gretchen, jedoch keine Liebe mehr (seine „Lippen sind kalt“) – man könnte also sagen: Sobald die Faszination und die sexuelle Begierde durch den Beischlaf befriedigt wurden, lässt auch die idealisierte Illusion nach. Wenn man nun daran denkt, was Faust in seiner nihilistischen Klage gegenüber Mephisto bereits angekündigt hat („Weib und Kind“ wie auch die „Geliebte“ wurden als sinnlose Wünsche abgetan), wird auch klar, dass Gretchen nicht die Antwort auf seine Existenzsuche sein kann. Damit wird sein Selbstbild des ewig Unbefriedigten erneut bekräftigt.
Schließlich wirft Fausts Verhalten gegenüber Gretchen durchaus auch ein schlechtes Licht auf ihn: Indem er Gretchen ihrem Schicksal überlässt und sie der Ächtung ihres sozialen Umfelds aussetzt, wird eine gewisse Unmenschlichkeit deutlich. Das überhöhte, übertriebene Streben Fausts verursacht hier durchaus kritische Stimmen, man könnte vermuten, dass Goethe Fausts Titanismus, sein bedingungsloses Streben und damit seine Abwertung der menschlichen Existenz kritisch hinterfragt. Dafür würde zudem auch die Harmonielehre der Weimarer Klassik sprechen.
Auf ihrem weiteren Weg trifft Faust auf Margarete, die er sofort begehrt. Er möchte sie gerne nach Hause begleiten, doch sie wimmelt ihn vorerst ab, da sie als junge, unverheiratete Frau aus gesellschaftlicher Sicht nicht einfach mit einem fremden Mann verkehren darf. Jedoch wirken seine höflichen Worte und sein elegantes Erscheinungsbild bei ihr nach.
Es zeigt sich, dass der Zaubertrank Faust nicht nur verjüngt hat, sondern dass auch Mephistos Vorausdeutung eingetreten ist: Er ist voller Begierde nach einer Frau und Gretchen wirkt auf ihn unglaublich verführerisch. Er will sie noch in der gleichen Nacht besitzen, also mit ihr schlafen.
Daraufhin fordert Faust von Mephisto, dass er ihm „die Dirne“ beschafft, doch Mephisto hat keinerlei Macht über Gretchen, da sie ein sehr frommes und gottbewusstes Mädchen ist (V. 2624ff).
Mephisto versucht zunächst das Ansinnen Fausts abzuwiegeln. Das macht deutlich, dass er die Erfüllung der sexuellen Begierde nicht an die Person Gretchens gebunden sieht, sondern sich sicher ist, eine leichtere Beute zu finden. Faust jedoch besteht auf Gretchen, er stellt Mephisto sogar ein Ultimatum („Wenn nicht das süße junge Blut// Heut Nacht in meinen Armen ruht,// So sind wir um Mitternacht geschieden“). Als dieser darauf verweist, dass er mindestens 14 Tage bräuchte, um das Mädchen zu verführen, verspottet Faust ihn und meint, er selbst könne das in sieben Stunden ohne die Hilfe des Teufels schaffen – ein weiterer Beweis dafür, dass der Hexentrank nicht nur Fausts Äußeres, sondern sein ganzes Wesen verändert hat.
Deshalb müssen sie trickreich vorgehen, um Margarete für Faust zu gewinnen (V. 2657f). Um den übereifrigen und ungeduldigen Faust zu besänftigen, verspricht Mephisto deshalb zunächst, dass Faust Zugang zu Gretchens Kammer bekommen werde, während Gretchen außer Haus ist. Damit gibt sich Faust erstmal zufrieden, besteht aber darauf, dass Mephisto noch ein Geschenk für Gretchen besorgt.
Die List besteht also nun darin, in Gretchens Zimmer einzudringen und dort ein Geschenk (ein Schmuckkästchen) in ihrem Schrank zu platzieren (V. 2731ff).
Die Szene beginnt jedoch zunächst mit einem kurzen Einblick in Gretchens Gefühlswelt. Offensichtlich war ihre kühle Art, mit der sie Faust abgewiesen hat, doch nur vorgetäuscht, denkt sie doch in ihrem Zimmer nun intensiv an diesen und fragt sich, wer denn der Fremde sei.
Während ihres Monologs löst Gretchen ihre Zöpfe. Dies kann symbolisch verstanden werden. Die Zöpfe stehen für ihre bürgerliche Tugendhaftigkeit und die Konformität mit den Regeln. Indem sie diese also löst, ist es ihr möglich, ihre inneren, aus ihrer Sicht heraus bereits unangemessenen Gedanken zu ergründen.
Nach Gretchens Abgang betreten nun Faust und Mephisto das Zimmer und Faust beginnt sogleich von ihr zu schwärmen. Das Zimmer ist für ihn ein Heiligtum, in dem Seligkeit herrscht, weil Gretchen innere Ordnung und Zufriedenheit verkörpert.
Diese Erkenntnis bewirkt, dass Faust tiefe Gefühle für Gretchen empfindet und nicht mehr nur reine Begierde. Ihr Leben scheint ihm für einen kurzen Augenblick als Antwort auf seine Sinnsuche, Gretchen wirkt wie ein Engel, ein Götterbild, er idealisiert ihre eher ärmliche Wohnstätte von der Hütte zum Himmelreich, während sein eigenes bisheriges Leben sinnlos erscheint.
Er glaubt sich schon am Ziel seines Strebens nach menschlichen Erfahrungsmöglichleiten (Enge und Weite, Liebe und Schmerz, Armut und Fülle), schließlich jedoch erkennt er, dass seine Trieb nach sinnlichem Genuss und die tiefen Gefühlsregungen, die er nun spürt, widersprüchlich sind und dass er nur seinen niederen Trieben gefolgt ist. Darauf reagiert er, indem er Gretchen nicht mehr wiedersehen will. In diesem Moment tritt jedoch Mephisto wieder auf den Plan und bringt ein Schmuckkästchen, das Faust in Gretchens Schrank legen soll. Dieser zögert, doch Mephisto übernimmt es, weil Gretchen naht, und führt Faust schließlich ab.
Faust zögert, weil Mephisto deutlich macht, dass dieses Geschenk Gretchen zum Sex verführen soll, was Faust ja gerade noch bereut hat. Da aber Mephisto natürlich an seinem Plan festhalten und Gretchen keinesfalls über das Objekt der „Lüsternheit“ erhöhen will, versteckt er das Kästchen, um den Kontakt zwischen Gretchen und Faust weiter voranzutreiben.
Als Margarete nun das Zimmer betritt, empfindet sie sogleich ein bedrückendes Gefühl, das sie mit einem Lied über den König Thule zu vertreiben versucht.
Gretchen spürt also sogleich die Anwesenheit des Teufels, der eine dumpfe Schwüle hinterlassen hat, und sie dazu bringt, sich die Anwesenheit ihrer Mutter zu wünschen.
Das Lied über König Thule wiederum verdeutlicht Gretchens Vorstellung von der Liebe. Der König ehrt über den Tod seiner Geliebten hinaus einen Becher, den sie ihm geschenkt hat, und lässt es noch nicht einmal zu, dass er nach seinem Tod an jemand anderen geht, sondern er wirft ihn kurz vor seinem letzten Augenblick ins Meer. Das zeigt, welch hohe Vorstellungen von unbedingter Liebe und ewiger Treue Gretchen hat.
Beim Einräumen ihrer Kleider entdeckt Margarethe nun den Schmuck, wundert sich zwar, wem dieser gehört, doch legt ihn sich direkt an. Als Kleinbürgerin kann sich Margarete solch edlen Goldschmuck nicht leisten, weshalb sie trotz ihrer Freude gleichzeitig auch an ihre Beschränktheit innerhalb der Gesellschaft denken muss (V. 2802ff), denn sie ist zwar jung und schön, aber letztlich gehe es doch immer nur um das Vermögen einer Person.
Dieser Moment macht deutlich, dass Gretchen von gesellschaftlicher Anerkennung und sozialem Aufstieg träumt.