Derweil führt Mephisto Faust ins Harzgebirge auf den Blocksberg, wo die Hexen ausgelassen und zügellos die Nacht zum ersten Mai feiern. Tatsächlich lässt sich Faust schon auf dem Weg vom Treiben faszinieren, er will sogar ganz nach oben, um das Böse tiefgehend studieren zu können.
Die Walpurgisnacht ist die zweite Station auf Fausts Weltfahrt – hier soll er, so Mephistos Plan, die tiefste Sinnlichkeit und Erotik der Sexualität erfahren. Es wird gleich zu Beginn deutlich gemacht, dass diese Szene in einer Traumwelt, also fernab von Realität und Vernunft, stattfindet. Daher wundert es nicht, dass Faust sich auf dieses Treiben einlässt. Gleichsam fällt aber auf, dass er und Mephisto mit durchaus unterschiedlichen Erwartungen an diesen Ort gekommen sind: Mephisto freut sich auf die Obszönität und das animalische Treiben der Szene, will aber natürlich auch seine Pläne für Faust umsetzen. Faust hingegen will zunächst wieder einmal einen Erkenntnisgewinn erreichen: „Dort strebt die Menge zu dem Bösen,// Da muss sich manches Rätsel lösen“. Er will erfahren, was das Böse ausmacht, warum es dieses überhaupt gibt. Damit deckt sich auch, dass er den Weg nicht, wie Mephisto es vorschlägt, schnell und leicht mit einem Flugmittel hinter sich bringen, sondern diesen komplett erwandern will, was seinen strebenden, handelnden Charakter zeigt. Auch die atmosphärische Beschreibung der beiden unterscheiden sich stark: Mephisto deutet das goldene Licht als Gold und denkt damit an materielle Dinge. Er erkennt in den Wurzeln Wesen, die die Wanderer halten und verwickeln wollen (eine Assoziation zum Sexuellen). Faust hingegen beschreibt die goldenen Berge und die Natur als Wunder, die Neues hervorbringen und faszinierend wirken. Die Diskrepanz der beiden Figuren wird hier also sehr deutlich in den Fokus gerückt.
Funfakt: Die Trödelhexe in der Szene bietet Erinnerungsstücke an Fausts Vergehen an Gretchen an: Einen Dolch (er hat Valentin erstochen), einen Giftkelch (er hat Gretchens Mutter mit dem Schlaftrank umgebracht) und Schmuck, mit dem man Mädchen verführen kann.
Schließlich lässt er sich vom sexuellen Treiben mitreißen: Während Mephisto mit einer alten Hexe tanzt, beschäftigt sich Faust mit einer jüngeren, zumindest solange, bis ihr eine rote Maus aus dem Mund springt und er in dem Trubel das Zauberbild eines gefesselten Mädchens erblickt, das wie Gretchen aussieht (V. 4381ff). Allerdings ist das Mädchen allein, hat einen durchgeschnittenen Hals und Augen wie eine Tote (V. 4195). Dieser schreckliche Anblick veranlasst Faust dazu, sich Sorgen um seine ehemalige Geliebte zu machen. Mephisto jedoch lenkt ihn ab, indem er auf ein Theaterstück aufmerksam macht, das jetzt aufgeführt werden soll.
Mephistos Plan scheitert also wieder einmal. Faust lässt sich nicht auf Lust, Sinnlichkeit und Trägheit ein. Zur Verhinderung des sexuellen Vollzugs haben die beiden genannten Ereignisse beigetragen: Die rote Maus, die seiner Tanzpartnerin aus dem Mund gesprungen ist, erinnert Faust daran, dass er hier mit einer Hexe tanzt. Diese steht für Sinnesvernebelung und absolute Ektase. Der Verstandesmensch Faust kann dies nicht akzeptieren. Die Gretchenerscheinung wiederum erinnert ihn an seine Schuld, er hat Gretchen ihrem Schicksal überlassen, sodass sie daran zugrunde gehen wird. Die gefesselten Beine zeigen, dass Gretchen im Kerker gefangen ist. Die rote, dünne Schnur am Hals ist eine Vorausdeutung: Als Geisterbild hat sie ihren Kopf schon verloren, im realen Leben wartet das Schafott auf sie.
Nun folgt ein Zwischenspiel, das die Hochzeit von Oberon und Titania aus Shakespeares „Sommernachtstraum” behandelt. Die Geister und anderes Gesinde geben ein Spiel zu Ehren von Oberon und Titania, das Königpaar in der poetischen Welt Shakespeares. Dieses Stück im Stück kann als satirische Anspielung Goethes auf verschiedene Zeitgenossen und Diskussionsthemen gewertet werden, hat aber nichts mit der eigentlichen Handlung zu tun – es erinnert viel mehr an die Xenien, die Goethe zusammen mit Schiller verfasst und veröffentlich hat.
Verzweifelt beschuldigt Faust Mephisto, dass er all das Unglück verschuldet hat, da er ihm Gretchens Situation verheimlicht und ihn stattdessen mit der Walpurgisnacht abgelenkt hat. Faust selbst hat bezüglich eigener Schuld vordergründig keinerlei Einsicht, indem er jedoch den Erdgeist anruft und sich wünscht, er habe den Pakt mit dem Teufel nie geschlossen, wird durchaus deutlich, dass er sich eigentlich seiner Schuld bewusst ist.
Mephisto hingegen macht darauf aufmerksam, dass Gretchen nicht die erste sei. Er beteuert, dass er lediglich die Befehle von Faust befolgt hat, und weist Faust daher die Schuld zu. Jedenfalls setzt Faust nun alles daran, Gretchen vor ihrem Schicksal zu retten (wenig später erfährt man, dass Gretchen wegen Kindsmordes hingerichtet werden soll), weshalb sie sich unverzüglich zu ihr aufmachen, obwohl Mephisto darauf aufmerksam macht, dass seine Hilfe hier nur beschränkt möglich ist.
Mephisto muss befürchten, dass Faust wegen der Ermordung Valentins ebenfalls festgenommen wird. Er hat also aus zweierlei Gründen kein Interesse daran, Gretchen zu retten: Erstens könnte Faust verhaftet und damit die Weltfahrt unmöglich werden, zweitens könnte die Rettung Gretchens ebenfalls seine Verführung Fausts behindern.
Insgesamt sticht diese Szene extrem aus dem restlichen Drama heraus: Sie ist nicht in Versform geschrieben. Goethe hatte die Szene bereits im Urfaust, der noch in Prosaform verfasst war, und hat darauf verzichtet, sie umzuarbeiten. Die sprachliche Gestaltung und vor allem auch die Regieanweisungen zur Person Mephistos sind atmosphärisch: Der Teufel zeigt sein wahres Gesicht, er wirkt kalt, durchtrieben und zynisch, was durch seine knappen, pointierten Antworten deutlich wird. Faust erkennt dessen Trug, und seine leidenschaftliche, von Ausrufen, Wiederholungen und Unterbrechungen geprägte Sprache spiegeln Fausts Inneres wider. Dies wäre in Versform kaum möglich gewesen.
Auf ihrem Weg brausen sie auf schwarzen Pferden am Rabenstein vorbei, einem symbolischen Ort, an dem Hexen eine Hinrichtung vorbereiten. Dieser Anblick veranlasst sie zur Eile, wird hier doch Gretchens Hinrichtung vor Augen geführt.
Nachdem Gretchen Monate später - überfordert von der gesamten Situation – das neugeborene Kind von Faust ertränkt hat, wartet die mittlerweile Wahnsinnige im Kerker auf ihre Hinrichtung.
Die Szene beginnt mit einem Monolog Fausts. Er hat den Schlüssel zum Kerker bei sich und will Gretchen befreien, zögert jedoch, weil er Angst vor der Begegnung mit Gretchen hat, wird diese ihm doch den Jammer der ganzen Menschheit offenbaren und ihm sein Verbrechen an ihr verdeutlichen. Von außen hört er Gretchen singen.
Gretchens Lied hat die Funktion, ihre Taten zusammenzufassen und dem Leser zu erklären, warum sie überhaupt im Kerker sitzt. Zudem bereitet es den Zuschauer auf den Wahnzustand Gretchens und auf ihre Resignation vor.
Als nun Faust doch den Kerker betritt, um sie zu retten, erkennt Gretchen Faust nicht, sie hält ihn für ihren Henker und fleht ihn an, sie nicht zur Hinrichtung zu führen, weil sie noch so jung sei. Auch leugnet sie, ihr Kind umgebracht zu haben, dies seien haltlose Vorwürfe, vielmehr habe jemand ihr Kind weggebracht und ihr genommen.
Dass Gretchen Faust nicht erkennt, zeigt zum einen ihren verwirrten Geisteszustand. Andererseits kann man dies auch symbolisch lesen, schließlich hat Faust sie erst in die Situation gebracht, er ist also in übertragenem Sinne tatsächlich ihr Henker.
Die Leugnung ihrer Tat ist auch eine Rechtfertigung Gretchens vor sich selbst, eine Selbsttäuschung, die sie vor der Realität schützen soll.
Faust, der versucht, Gretchen zum Erkennen seiner Person zu bewegen, wirft sich schließlich als „Liebender“ zu ihren Füßen, doch diesen Kniefall missdeutet Gretchen als Aufforderung, gemeinsam zu beten.
In Diesem Moment zeigt sich Gretchens tiefe Religiosität, sie vertraut auf Gott und darauf, dass sie durch ihn Erlösung finden kann.
Indem Faust Gretchens Namen ruft, erkennt sie ihn endlich und ihre Ketten fallen von ihr ab. Ihr Ausruf „Ich bin frei!“ veranlasst sie allerdings nicht zur Flucht, sondern dazu, sich Faust als ihrem Geliebten nähern zu wollen und ihn zu küssen. Dies wehrt Faust jedoch ab und drängt zum Aufbruch. Dadurch erkennt Gretchen, dass er sie nicht mehr liebt („Deine Lippen sind kalt,// Sind stumm. Wo ist dein Lieben//Geblieben?“), sie gesteht ihm ihre Taten und macht deutlich, dass sie nicht mit ihm kommen wird.
In dieser Situation werden die unterschiedlichen Vorstellungen der Freiheit von Gretchen und Faust deutlich: Während er unter Freiheit die Rettung Gretchens versteht, fühlt sie sich frei, endlich bedingungslos Faust zu lieben.
Sie beauftragt ihn, dass er sich um die Gräber kümmern soll, wobei sie ihm ganz genau beschreibt, wie diese anzulegen sind und wo wer liegen soll. Sie erkennt, dass sie zwar vor der Hinrichtung entfliehen kann, doch nicht vor ihrem schlechten Gewissen (V. 4544ff).
Die Grabbeschreibung verrät, dass sie sich im Inneren Rettung durch Gott und Wiedervereinigung mit ihrer Familie ersehnt. Auch wird durch ihre strikte Weigerung und ihre Begründungen deutlich, dass sie in einer Flucht nur Verderben sieht, weil sie sich damit ihrer Bestrafung entzieht und ihre Seele so verloren ist.
Faust versucht vergebens, an ihren Verstand zu appellieren, doch Gretchen bleibt bei ihrer Entscheidung, nicht fliehen zu wollen. Als schließlich Mephisto hinzukommt, um zur Eile anzutreiben, erkennt Gretchen ihn sofort und in ihm den Teufel. Sie will von diesem nicht geholt werden. Sie übergibt sich unterwürfig dem Gericht Gottes (V. 4607ff) und ihre Seele wird auf diese Weise doch noch gerettet (V. 4612), während sie sich vor ihrer einstigen Liebe Faust („Heinrich, mir grauts vor dir!“) und besonders vor dessen Begleiter Mephisto nur noch fürchtet (V. 4610). Mephisto verschwindet mit Faust unter den Nachrufen Gretchens („Heinrich, Heinrich!“) und so endet Faust I.