In der Novelle „Mario und der Zauberer – Ein tragisches Reiseerlebnis“, welche von Thomas Mann verfasst und im Jahre 1929 veröffentlicht wurde, dient bereits der erste Absatz gleichsam als Zusammenfassung der gesamten Handlung, indem das besagte Reiseerlebnis vom Erzähler aus der Perspektive einer „Erinnerung“ (S. 1) heraus eingeführt und zumindest schon mal grob skizziert wird. Ab dem zweiten Absatz fängt der Erzähler dann gewissermaßen damit an, den Lesenden seine „atmosphärisch unangenehm[e]“ (S. 1) Urlaubserfahrung mit tragischem Ende detaillierter näherzubringen.
Zunächst wird Torre di Venere beschrieben, ein italienischer Badeort, an dem sich die Handlung abspielt. Hier war in jüngerer Vergangenheit noch „ein Idyll für Wenige“ (S. 1), eher ein Geheimtipp also, doch dieser Urlaubsort hat sich mit der Zeit zu einem immer größeren Tourismus-Magneten entwickelt. Es kam vor allem durch seine im Vergleich zu anderen Städten billigeren Preise, aber auch seinen feinen Charme dazu, dass sich Torre steigender Beliebtheit bei Touristen erfreute – was allerdings genau diese Eigenschaften einer idyllischen Alternative zu überfüllten Badeanlagen, für welche es eigentlich geschätzt wurde, letztlich wieder zunichte machte (vgl. S. 2).
Ein weiterer Grund dafür, dass der Aufenthalt für den Ich-Erzähler schon von Beginn an unter keinem allzu guten Stern steht, ist der Umstand, dass er mit seiner Familie den Urlaub offenbar etwas zu früh angesetzt hat, da die Saison für die italienischen Einheimischen Mitte August augenscheinlich noch in vollem Gange ist (vgl. S. 2) – und somit auch die Stadt und der Strand fest in deren Händen. Das bekommt die Familie des Erzählers und er selbst bereits in ihrem Hotel zu spüren, zumal man sich dort als Deutsche aufgrund der Vorherrschaft italienischer Bewohner und Bewohnerinnen „wie ein Gast zweiten Ranges vorkommen mag“ (S. 3). Dies äußert sich unter anderem darin, dass im Speisesaal des Hotels die Ausstattung ihres Tisches deutlich schlichter ausfällt als diejenige auf den Tischen der Italiener (vgl. S. 3f.)oder auch durch die von einer Dame des römischen Hochadels geforderte Umquartierung der Familie in ein Nebengebäude, da sich jene Fürstin von den „Restspuren eines Keuchhustens“ (S. 4) der Tochter gestört fühlte. Deshalb entschließt sich der Ich-Erzähler mit seiner Familie in die „Pension Eleonora“ umzusiedeln.
Als sie dann endlich am Strand ihren Urlaub trotz des mehr als holprigen Starts zu genießen gedenken, treffen der Erzähler und seine Familie auch dort auf Ablehnung, da „die Idee der Nation im Spiele war“ (S. 9) und „es am Strande von patriotischen Kindern [wimmelte]“ (S. 9). Selbst die Jüngsten tragen hier also schon ein politisiertes Nationalbewusstsei n in sich. Streitigkeiten unter den Kindern verschiedener Herkunft, die unweigerlich hochkochen, werden von den Erwachsenen darüber hinaus eher befeuert als geschlichtet (vgl. S. 9). Dieser Zwist eskaliert dann, als die Tochter des Erzählers sich am Strand gänzlich entblößt zeigt, was die einheimischen Badegäste als Affront durch Erregung öffentlichen Ärgernisses sowie als Verletzung der italienischen Ehre auffassen und daraufhin die zuständige Behörde informieren, welche die Deutschen mitnimmt und schließlich zu einem Buß- wie Lösegeld von fünfzig Lire verurteilt (vgl. S. 10f.).
Nach jenem Vorfall ist nun etwas Zeit verstrichen, die Nachsaison hat begonnen und die Gegend „entnationalisiert“ (S. 12) sich durch die Abreise vieler (italienischer) Gäste, und die Atmosphäre wird zunächst allgemein wieder etwas entspannter. In diese Stimmung aufkeimender Gelassenheit hinein kündigt sich auf Plakaten ein Zauberkünstler namens Cipolla an. Diese Ankündigung erfreut besonders die neugierigen Kinder der Familie, aber auch die Eltern verspüren vor allem nach den vergangenen Vorkommnissen ein „gewisses Zerstreuungsbedürfnis“ (S. 14), weswegen sie sich Karten für die Vorstellung kaufen. Die Familie findet sich sodann im Saal der Aufführung ein und mischt sich in die Menge. Ganz vorne stehend erblicken die Kinder Mario, einen Kellner aus dem Café „Esquisito“ (vgl. S. 2f.), mit dem sie sich sehr gut verstanden haben, da er ihnen Schokolade gebracht hat (vgl. S. 15).
Durch eine wohl von ihm selbst eingeplante Verspätung des Zauberers Cipolla wird das Publikum immer nervöser, bis der Zauberkünstler schließlich in einem geschwinden Schritt, der bereits eine Form der Täuschung impliziert (vgl. S. 16f.), auf die Bühne tritt. Die Aura, welche Cipolla mit seiner seltsamen Ausstrahlung im Saal verströmen lässt, zieht sich durch seine gesamte Vorstellung. Die Stimmung hat nichts von dem erhofft Lustig-Lockeren, sondern sie ist eher ernst (vgl. S. 17f.). Dennoch weckt das Auftreten des Zauberers auch eine krude Faszination bei den Zuschauenden.
Schon bald wird dem Erzähler klar, dass Cipolla nicht die Art von Zauberkünstler ist, welche er (auch für seine Kinder) erwartet hat, sondern ein Magier des Geistes, ein Hypnotiseur. Beispielsweise bringt er so einen jungen Mann gegen dessen Willen dazu, die Zunge herauszustrecken (vgl. S. 19f.) und kurz darauf gar, seinen Körper zu krümmen. Gepaart sind Cipollas Kunststücke stets von sprachlich gewandter Lobpreisung auf sich selbst, respektive Verspottung seines Publikums oder auch mit politisch aufgeladenen, patriotischen Phrasen (vgl. S. 21). Auch Darbietungen mathematischer Fähigkeiten und Kartentricks zählen zu seinen Kunststücken. Dem Publikum wird die ganze Vorstellung jedoch allmählich immer weniger geheuer, aber der Zauberer weiß, aufkeimende Unruhen oder Widerstand gegen seine Anweisungen spätestens durch seine pfeifende Peitsche zu ersticken (vgl. S. 31). Auch ein Italiener, der stolz ankündigt, sich Cipollas Willen zu widersetzen, muss sich dessen Geisteskräften geschlagen geben (vgl. S. 32).
Dann folgt eine „Art von Gesellschaftsspielen“ (S. 33), bei welchen der Zauberer beispielsweise mit dem Rücken zum Publikum versucht, das Verborgene in diesem zu offenbaren, „während irgendwo im Saale unter der Hand die Vereinbarungen getroffen wurden, denen er gehorchen, der Gegenstand von Hand zu Hand ging, den er aus seinem Versteck ziehen […] sollte“ (S. 33). Hierbei merkt der Erzähler an, dass sich die Rollen von Zauberer und Publikum gewissermaßen vertauschen, da der Zauberer, der zuvor befehlend die Zügel des Geschehens in der Hand gehabt hatte, nun den Gemeinschaftswillen des Publikums hörig ausführen muss (vgl. S. 34). Anschließend wird eine Pause eingelegt, in welcher der Ich-Erzähler mit dem Gedanken spielt, die Aufführung mit seiner Familie vorzeitig zu verlassen. Abermals entscheidet er sich jedoch dafür zu bleiben, da dieser Auftritt irgendwie zur allgemeinen Merkwürdigkeit des Urlaubs passt und sie auch trotz bereits vorheriger Unannehmlichkeiten nicht abgereist sind (vgl. S. 37f.).
Nach der Pause fährt Cipolla mit seinen geistesvernebelnden Darbietungen fort, indem er unter anderem jemanden in eine derartige Starre versetzt, dass der Magier „den in Tiefschlaf Gebannten nicht nur mit Nacken und Füßen auf die Lehnen zweier Stühle legen, sondern sich ihm auch auf den Leib setzen konnte, ohne da[ss] der brettstarre Körper nachgab“ (S. 40). Einer älteren Frau trichtert er ein, sie befände sich auf einer Reise nach Indien und eine Gruppe junger Männer bewegt er zu einer „Tanzorgie“ (S. 43). Niemand ist gegen Cipollas Willen gefeit.
Schließlich holt der Zauberer den Kellner Mario auf das Podium und erkennt nach einer kurzen Konversation, dass Mario Liebeskummer hat. Obwohl der Kellner dies vehement abzustreiten versucht, beharrt Cipolla darauf und hypnotisiert Mario derartig, dass dieser ihn auf die Wange küsst, da Mario nun denkt, der Zauberer sei seine Angebetete Silvestra. Als Mario wieder zu sich kommt und realisiert, was er gerade getan hat, rennt er unter anhaltendem Applaus wieder von der Bühne hinunter, um den Zauberkünstler zu erschießen, denn jener Kuss war für den Kellner „eine Preisgabe des Innigsten, die öffentliche Ausstellung verzagter und wahnhaft beseligter Leidenschaft“ (S. 52). Daraufhin bricht Tumult aus und Mario wird überwältigt, während der Erzähler mit seiner Familie den Saal verlässt. „Ein Ende mit Schrecken, ein höchst fatales Ende. Und ein befreiendes Ende dennoch“ (S. 54).