Die Gibbs-Helmholtz-Gleichung ist laut Kerncurriculum nicht als verbindlich vorgesehen, wurde aber bereits im Abitur als Transferaufgabe mit Material abgefragt. Daher wird sie an dieser Stelle als Exkurs behandelt. Mit ihr kannst du Aussagen darüber treffen, ob eine Reaktion spontan abläuft oder nicht.
Spontane Reaktionen laufen in einem System ohne Fremdeinwirkungen freiwillig ab. Eines der bekanntesten Beispiele hierfür ist das Rosten einer Eisenstange an der Luft oder im Wasser. Ohne weitere Aktivierungsenergie läuft die Oxidation des Eisens, je nach Temperatur, langsam oder schnell ab. Somit musst du nichts dafür tun, dass ein Lackschaden am Auto irgendwann anfängt zu rosten.
Die Formel der Gibbs-Helmholtz-Gleichung lautet:
∆GR=∆HRT·∆SR
In dieser Gleichung wird ∆GR die Gibbs-Energie oder auch freie Enthalpie genannt; ∆HR ist die Reaktionsenthalpie, T die absolute Temperatur und ∆SR die Reaktionsentropie.
Die Reaktionsenthalpie und die Reaktionsentropie werden, wie oben erwähnt, aus den Differenzen zwischen Produkten und Edukten zunächst für jede Reaktion einzeln mithilfe der Tabellen berechnet.
Zur Deutung sollte man wissen, dass eine negative freie Enthalpie (Gibbs-Energie) eine spontane Reaktion bei der vorliegenden Temperatur bedeutet. Man spricht auch von einer exergonischen Reaktion. Ist die Gibbs-Energie jedoch positiv, wird die Reaktion bei dieser Temperatur unter Normaldruck nicht spontan ablaufen. Die Reaktion wäre dann endergonisch.
Beim Rechnen mit der Gibbs-Helmholtz-Gleichung solltest du darauf achten, dass es sich um die absolute Temperatur handelt. Meistens werden im Abitur jedoch nur die Angaben in Grad Celsius gegeben. Diese müssen dann noch in Kelvin umgerechnet werden.
Zur Erinnerung: 0 K entsprechen 273,15°C. Demzufolge entspricht eine Raumtemperatur von 20°C einer Temperatur von 293,15 K.
Eine andere Fehlerquelle ist oftmals der Vorfaktor der Enthalpie. Enthalpie wird für gewöhnlich in kJ/mol angegeben. Die entsprechende SI-Einheit ist jedoch J/mol, sodass man die Enthalpie in diesem Fall noch mit 1000 multiplizieren muss, um die Angabe in SI-Einheiten zu erhalten.
Ebenso muss das Stoffmengenverhältnis (Stöchiometrie) der jeweiligen Reaktionsgleichung beachtet werden. Bei der Reaktion H2 + Cl2 → 2 HCl muss die Enthalpie und die Entropie der Produkte jeweils verdoppelt werden, da vom Produkt die doppelte Stoffmenge entsteht.
Frage: Läuft die Reaktion der oben beschriebenen Chlorknallgasreaktion freiwillig ab?
Vorüberlegung:
Bei dieser Art von Rechnung werden, passend zu der Aufgabe, die Werte der Enthalpie und Entropie angegeben (bei ca. 25°C). Es kann hilfreich sein, die Enthalpie sowie die Entropie der Produkte und Edukte farblich zu unterscheiden.
Enthalpie:
ΔHf⁰ (H₂ (g)) = 0 kJ/mol
ΔHf⁰ (Cl₂ (g)) = 0 kJ/mol
ΔHf⁰ (HCl (g)) = - 92 kJ/mol
Entropie:
S° (H₂ (g)) = 131 J/(K · mol)
S° (Cl₂ (g)) = 223 J/(K · mol)
S° (HCl (g)) = 187 J/(K · mol)
Rechnung:
Bei solchen Rechnungen lohnt es sich, die Enthalpie und die Entropie - wie in den letzten Kapiteln besprochen - in Zwischenschritten einzeln auszurechen:
Enthalpie:
∆HR0= ∆Hf0 (Produkte) - ∆Hf0 (Edukte)
∆HR0= 2 mol ·(-92 kJ/mol)-(0+0)
Entropie:
∆SR0= ∆S0 (Produkte) - ∆S0 (Edukte)
∆SR0= 2 mol · 187 J/(K*mol)-(1 mol · 131 J/(K·mol)+1 mol · 223 J/(K·mol))
∆SR0= 20 J/K
Gibbs-Helmholtz-Gleichung:
∆GR= ∆HR-T∆SR
∆GR= 2 mol · (-92 kJ/mol) – 298 K · 0,02 kJ/K = -189,96 kJ
Antwort:
Nun können wir aufgrund der Rechnung sagen: Die Chlorknallgasreaktion wird aufgrund der negativen Gibbs-Energie spontan ablaufen.