Der deutsche Traum von einem Nationalstaat wurde weder 1815 durch den Wiener Kongress, noch 1848/49 durch die gescheiterte Revolution erfüllt. Bevor wir erklären, wie es später doch noch zur deutschen Einheit kam, schauen wir uns die Ausgangslage an.
Eine wichtige Frage nach 1848 war: Wer hat jetzt den Führungsanspruch in Deutschland? Österreich oder Preußen?
Österreich hatte seit dem 15. Jhd., also schon rund 400 Jahre, die Führung in Deutschland. Hinzu kam die Unterstützung durch die süddeutschen Mittel- und Kleinstaaten, da diese Angst hatten vor einer Einverleibung Preußens.
Preußen hingegen machte Österreich immer öfter den Anspruch schwer. Da Österreich ein Vielvölkerstaat war und bei einer nationalen deutschen Einheit zerfallen würde, hatte Preußen angesichts des Nationalitätsprinzips längerfristig gesehen bessere Chancen. Zudem traten ab 1834 die süddeutschen Mittel- und Kleinstaaten dem unter preußischer Führung bestehenden Zollverein bei und waren somit auf der Seite Preußens und nicht mehr auf der Seite Österreichs.
Wie sah die Situation in Preußen nach der Revolution aus?
Ziemlich schnell nach dem Ende der Revolution gewannen die reaktionären (= an alten Verhältnissen festhaltend) Kräfte die Oberhand. Die Politik dieser Zeit nannte man auch Reaktionspolitik der 1850er Jahre oder Reaktionsära. Die deutsche Ordnung sollte wieder genau wie vor der Revolution aussehen.
In Preußen wurde im Januar 1850 eine Verfassung mit konstitutioneller Monarchie vom Preußenkönig Friedrich Wilhem IV. erlassen und ein Dreiklassenwahlrecht eingeführt, dass durch Notverordnung in Kraft gesetzt wurde und das Wahlrecht nach Steuerkraft regelte. Die zuvor eingeführten Grundrechte wurden im August 1851 in allen Bundesstaaten komplett aufgehoben. Die Pressefreiheit wurde eingeschränkt und es entstand ein System der Unterdrückung. Verlage wurden beschlagnahmt oder mit hohen Strafen versehen. Viele Verlage vermieden deshalb aus Angst vor Gefängnisstrafen politische Themen. Durch all diese Maßnahmen wollte die Regierung die absolute Kontrolle über alle politischen Meinungsäußerungen wiedererlangen. Außerdem manipulierte sie die Wahlen und kontrollierte Großgrundbesitzer, Fabrikanten und Verlage.
In Deutschland und Europa zeigen zum Beispiel der Krimkrieg zwischen Russland und dem osmanischen Reich (1853 – 1856) oder der italienisch-österreichische Krieg (1859), dass die Interessengegensätze der Großmächte auf dem Balkan immer mehr das solidarische Legitimationsprinzip verblassen ließen und an dessen Stelle immer mehr das Nationalitätsprinzip in einer Phase strategischer Machtpolitik trat.
Das Ende der Reaktionsära wird mit der Krönung Wilhelm dem I. zum preußischen König verbunden. Nach der Krönung wollten Preußen und Österreich die Nationalbewegung für sich gewinnen, um auch im Falle eines neuen Nationalstaats die führende Macht zu bleiben.
1861 stieg Wilhelm der I. zum König Preußens auf. Er unterstützte den deutschen Nationalgedanken und setzte liberale Minister in der Regierung ein („Neue Ära“). Auch Parteien durften seit 1861 wieder gegründet werden.Schon ein Jahr später ernannte er einen Mann zu seinem Ministerpräsidenten, der die nächsten Jahre stark beeinflussen sollte: Otto von Bismarck.
Diese Ernennung ergab sich vor allem durch den Heeres- und Verfassungskonflikt in Preußen 1862: Die liberale Mehrheit im Parlament verweigerte die Zustimmung zur Erhöhung des Wehretats. Da der König nicht mehr weiter wusste, setzt er Otto von Bismarck als Ministerpräsident ein. Man war der Überzeugung, dass er mit den Liberalen schon fertig werden würde. Bismarck ließ durch den König den Landtag auflösen und regierte einfach weiter. Er legitimierte sein Handeln mit der sog. Lückentheorie, jedoch war dies aber ein klarer Verfassungsbruch.
Politische Ansichten Otto von Bismarcks: