Durch Gleichschaltung und Führerprinzip war aus der Partei NSDAP ein NS-Staat entstanden. Zwischen Partei und Staat konnte nicht mehr unterschieden werden. Der Nationalsozialismus (NS) als Weltanschauung betraf alle Bereiche des Lebens – von der Erziehung, dem Frauenbild, der Arbeit bis zur Aufrüstung. Andere Parteien waren verboten, die Justiz in die Diktatur eingegliedert. Juden und andere Bevölkerungsgruppen wurden ausgeschlossen und verfolgt. Hitler war alleiniger Herrscher und versuchte durch Propaganda und Massenbewegungen den Rückhalt der Bevölkerung zu erhalten. Ziel war eine absolute Gleichschaltung - die so aber nicht erreicht wurde.
Doch wie genau sahen der NS-Staat und das Leben der Bevölkerung in den Jahren 1933 bis 1945 aus? Welche Grundzüge hatte dieser Staat? Das wollen wir dir in diesem Kapitel erklären.
Zunächst zu einem Thema, dass den NS-Staat und seine Methoden deutlich prägte: Terror und Propaganda. Die Propaganda (also die systematische Verbreitung politischer und ideologischer Ideen oder Meinungen mit dem Ziel, die Allgemeinheit zu beeinflussen) war eines der wichtigsten Betätigungsfelder der NSDAP. Sie zielte nicht auf rationale Argumente ab, sondern wollte die Emotionen der Bevölkerung treffen: In der Anfangszeit der Weimarer Republik wollte man vor allem Wut gegen die Politiker und Angst vor den Kommunisten schüren. So hoffte Hitler, dass er das Volk durch Manipulation für seine eigene Politik gewinnen konnte.
Später wurde der Bereich der Propaganda strukturiert und auch organisiert: 1933 wurde das „Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda“ gegründet. Unter der Leitung von Joseph Goebbels kontrollierte das Ministerium schnell das kulturelle Leben und die Medien. Die gleichgeschaltete Presse und Rundfunk standen im Dienst des NS-Regimes und dienten als wichtiges Instrument der Massenbeeinflussung. Auch öffentliche Feste und Großveranstaltungen wurden zur Propaganda benutzt. Die Themen der Propaganda waren so vielfältig wie das Leben selbst. Der Staat versuchte in allen Lebensbereichen die Bevölkerung zu indoktrinieren (beeinflussen). Ein beliebtes Thema dabei war „Arbeit und Fortschritt“ – also die positive Darstellung des Staates als Arbeitsbeschaffer und vorangehender, innovativer Staat. So wurden auch neue Industrieanlagen oder Autobahnen gezeigt, um die Tatkraft der Regierung zu untermauen. Auch die Arbeiter wurden glorifiziert. Zusammen mit den Bauern und Soldaten wurden sie als „Verteidiger der Volksgemeinschaft“ porträtiert
Die Familie wurde als Garant der „sittlichen Ordnung“ dargestellt. Als gut galt eine traditionelle und kinderreiche Familie. Alles in allem versuchte das NS-Regime das Ideal einer neuen, klassenübergreifenden, rassisch homogenen „Volksgemeinschaft“ zu vermitteln.
Auch die Kriegspropaganda spielte später eine wichtige Rolle. Das Regime überhöhte den Kampf und die Opfer und feierte den Heldentod für das Vaterland. Man stellte ein idealisiertes Bild der Soldaten und Wehrmacht dar. Außerdem wurden Kampagnen gegen die politischen und kriegerischen Gegner geführt.
Nicht zu vergessen ist auch die antisemitische Propaganda. In Zeitungen, Büchern und auf Plakaten wurde das Bild vom „stolzen Arier“ und „niederträchtigen Juden“ vermittelt. Man verbreitete die Ansicht, Juden seien nur auf ihren Profit bedacht und geldgierig. Auch in Schul- und Kinderbüchern wurden Juden als ungepflegte, hakennasige und egoistische Menschen dargestellt.
Ein beliebtes Thema der Propaganda war außerdem Adolf Hitler. Er wurde mythisch überhöht und als „nationaler Heilsbringer“ und „Erlöser“ beschrieben. Es entstand ein Kult um seine Person. Gleichzeitig wurde er als „normaler Deutscher“ verkauft, als Kinderfreund, Naturliebhaber und Hundefreund. Dadurch sollte sich die normale Bevölkerung mit ihm identifizieren und ihn gleichzeitig verehren.
Bald nach der Machtergreifung durch die NSDAP begann auch der Terror gegen einzelne Bevölkerungsgruppen oder politische Gruppierungen. Durch die Reichstagsbrandverordnung konnten politische Gegner und Andersdenkende ohne Grund festgehalten werden. Zunächst wurden die Anhänger der KPD und der Sozialdemokraten verfolgt und weggesperrt. Bald folgten auch die ersten Konzentrations- und Arbeitslager. Wer nicht den Idealen des Regimes entsprach oder politisch eine andere Meinung hatte, riskierte politische Verfolgung. Zur Verfolgung einzelner Gruppen kommen wir später noch zurück.
Der Begriff der „Volksgemeinschaft“ war ein propagandistischer Leitbegriff des NS-Regimes. Er bezeichnete die egalitäre Einheit eines primär rassisch und ethnisch verstandenen Volkes. Das Ideal der Volksgemeinschaft knüpfte an die völkischen Gemeinschaftsvorstellungen der NSDAP an und wurde der Bevölkerung als die Lösung aller politischen und sozialen Gegensätze der Weimarer Republik verkauft. Diese Vorstellung negierte jegliche soziale Herkunft, den Beruf oder das Vermögen, nur die „Reinheit der Rasse“ und das gesellschaftliche Engagement waren wichtig. Der Grundsatz „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ war ein propagierter Leitspruch dieses Ideals. Diese Eingliederung der Bevölkerung in eine opferbereite Volks- und Leistungsgemeinschaft half dabei die Kriegsvorbereitungen widerspruchslos zu tragen.
Umgesetzt wurde dieses Ideal durch verschiedene Organisationen und Verbände. Es gab beispielsweise den Reichsarbeiterdienst oder die Deutsche Arbeiterfront (DAF), die der NSDAP angeschlossen waren. Durch die gleichgeschalteten Organisationen wurde die Indoktrination erleichtert. Sie begann auch schon im Kindesalter: Die Jungs kamen in die Hitlerjugend (HJ), die Mädchen in den Bund deutscher Mädel (BdM). So wurde bereits die Jugend im Sinne des Nationalsozialismus erzogen. Auch in der Freizeit spielte die Ideologie eine große Rolle und wurde beispielsweise durch organisierte Ferienprogramme vermittelt.
Die Realität dieser angestrebten „Volksgemeinschaft“ sah allerdings anders aus. Wer zur Volksgemeinschaft zählte entschied alleine die Führungsriege des NS-Regimes. Politische Gegner, Menschen, die nicht dem Rassenideal entsprachen, Juden, Behinderte, Obdachlose, Sinti und Roma und Homosexuelle wurden aus der „Volksgemeinschaft“ ausgegrenzt. Mit dem Begriff "Asoziale" war es den Nationalsozialisten möglich, alle Menschen auszugrenzen, die ihnen aus irgendeinem Grund missfielen. Diese Menschen waren mit Terror und Verfolgung konfrontiert. Zudem ermöglichte diese Propaganda die Gleichschaltung und Indoktrination unter dem Schleier des Gemeinschafts- und Solidaritätsgefühls. Das führte schnell zu blindem Gehorsam und zu einer vorschnellen Verurteilung von Menschen, die nicht völlig überzeugte Anhänger des Regimes waren.
Im NS-Staat waren die Geschlechterrollen klar aufgeteilt. Ein guter Mann war Arbeiter oder Soldat und tüchtig. Eine gute Frau war Mutter und Hausfrau und bekam viele Kinder. Es entstand ein regelrechter „Mutterkult“. Sowohl propagandistisch als auch finanziell wurde die Mutterrolle gestärkt und gefördert. Frühe Eheschließungen wurden begünstigt. Die Politik war darauf ausgelegt, die Familie zu fördern. Hitler sah die Familie als Instrument zur „Einhaltung der Sittlichkeit“. Übersetzt heißt das: Nur wer arisch und gesund war sollte Kinder bekommen – und dann möglichst viele, damit sich das deutsche Volk ausdehnen konnte. Da die Nationalsozialisten das deutsche Volk als überlegen ansahen, war die „Produktion“ von Nachwuchs ein auserkorenes Ziel des Regimes. Die Frau sollte die Berufstätigkeit aufgeben und ihrer „natürlichen“ Hauptaufgabe nachkommen: Möglichst viele Kinder zur Welt zu bringen und dadurch die Ausbreitung der arischen Rasse voranzutreiben. Kinderreiche Familien wurden finanziell unterstützt. Außerdem wurde der Muttertag eingeführt und Mutterschaftskreuze an Mütter mit vielen Kindern vergeben.
Auch die Erziehung im NS-Staat zielte auf die Vermittlung der nationalsozialistischen Doktrin und Ideologie. Während der Machtergreifung mischte sich die NSDAP noch nicht wirklich in die Bildungspolitik ein. Einzige Maßnahme war, dass sie politisch anders Gesinnte aus dem Schuldienst entließ. Sie schaffte aber damals schon neue Jugendorganisationen die als Sprachrohr der NSDAP dienten.
Später dann schrieben sie aber die Lehrpläne nach nationalsozialistischen Grundsätzen neu. Auch die Hitlerjugend wurde für alle Jungen obligatorisch. Die NS-Erziehung wandte sich gegen die Aufklärung und das Vernunftprinzip. Die Propaganda und das Führerprinzip waren im Unterricht immer wichtige Bestandteile. Innerhalb der Deutschen wurde Gleichheit gelobt, gegenüber Juden und anderen ausgeschlossenen Gruppen wurde Hass geschürt und diese als vermeintlich minderwertige Menschen dargestellt („Untermenschen“).
Die Wirtschaftspolitik des NS-Regimes war auf eine sogenannte „Wehrwirtschaft“ ausgerichtet: Die gesamten produktiven Kräfte waren dem einheitlichen Zweck der Kriegsführung untergeordnet.
Unter Wehrwirtschaft versteht man eine wehrwirtschaftliche Neuorganisation, die alle Beteiligten und Produktionsprozesse in einen militärisch straff geführten Organismus eingliedert. Zudem wurde die allgemeine Wehrpflicht wieder eingeführt, was einen Bruch des Versailler Vertrages darstellte.
Ein weiteres wichtiges Merkmal der damaligen Wirtschaftspolitik war der Rückbau von Technik, um Arbeitsplätze zu schaffen. Statt Maschinen einzusetzen, um die Produktion zu vereinfachen und zu beschleunigen, wurde der Einsatz von technischen Hilfsmitteln reduziert und Menschen als Arbeitskräfte an ihre Stelle gesetzt.
Die Ziele dieser Politik wurden im „Vierjahresplan“ festgehalten: Die deutsche Armee sollte in spätestens vier Jahren einsatzfähig und die deutsche Wirtschaft in vier Jahren kriegsfähig sein. Das Ziel war die Ausrichtung der Wirtschaft auf die beschleunigte Aufrüstung und Autarkie (= wirtschaftliche Unabhängigkeit eines Landes von anderen Ländern). Auch bei Rohstofflieferungen wollte man möglichst unabhängig von anderen Staaten sein, damit man im Kriegsfall das Land alleine versorgen konnte.
Allen Menschen Arbeit zu beschaffen, war eines der Wahlkampfversprechen der NSDAP und deshalb auch ein frühes Thema des Regimes. Dahinter steckte aber stets die Wehrhaftmachung des Landes für den Kriegsfall.
Zeitgleich stiegen die Rüstungsausgaben stetig an. Die Nationalsozialisten förderten die rüstungsrelevante Industrie und arbeitsintensive und kriegswichtige Infrastrukturverbesserungen. Durch Subventionen, Steuererleichterungen und Staatsaufträge wurde die Produktion erheblich gesteigert. Dennoch betrieb das Regime eine riskante Schuldenpolitik: Die Schulden sollten durch spätere Kriegseinnahmen aus besetzten Territorien getilgt werden.
Als „gemeinschaftsfremd“ wurden alle bezeichnet, die nicht in das völkische und nationalsozialistische, rassistische Ideal des „Ariers“ passten. Dabei waren die Formulierungen sehr vage, sodass je nach Interpretation fast jeder Mensch darunter fallen konnte (z.B.: Menschen, „die nicht den Mindestanforderungen der Volksgemeinschaft genügen“). Diskriminierte Gruppen im NS-Regime waren unter anderem: Juden, Obdachlose und Bettler, Wanderarbeiter, Sinti & Roma, Alkoholiker, geistig und körperlich Behinderte, Homosexuelle, Prostituierte, Frauen, die sich nicht unterordneten, Sozialdemokraten und Kommunisten, „Arbeitsscheue“ und Zeugen Jehovas.
Die NS-Regierung verbreitete die Ansicht, Juden würden nach der Weltmacht streben und seien der Ursprung allen Übels. Sie sollten so schnell wie möglich aus allen gesellschaftlichen Bereichen ausgegrenzt werden. In der NS-Zeit wurden etwa 2000 antijüdische Gesetze oder Verordnungen erlassen. Sie wurden als Menschen einer „minderen Rasse“ mit weniger Rechten behandelt. Dabei spielte es keine Rolle, ob die Menschen sich selbst jüdisch fühlten. Diese Definition wurde ihnen von außen, vom Regime übergestülpt. Vielen von ihnen wurde die Existenzgrundlage genommen, ihnen wurde verboten, ihren Beruf auszuüben. Eheschließungen und Sex außerhalb der „Rasse“ waren verboten – das deutsche Volk sollte so rein wie möglich gehalten werden. Juden mussten den Judenstern als Erkennungszeichen tragen, sie durften keine Bibliotheken, Kinos, Theater oder Schwimmbäder mehr besuchen. Ab 1938 durften jüdische Schüler keine deutschen Schulen mehr besuchen. In Parks gab es Bänke, die nur für „Arier“ reserviert waren.
Was darauf folgte, wissen wir alle: Die systematische Ermordung der jüdischen Bevölkerung in Konzentrationslagern. Nicht vergessen solltest du auch, dass es den anderen diskriminierten Bevölkerungsgruppen ebenso erging. Auch sie wurden verfolgt, deportiert und ermordet.
Trotz dieser schrecklichen Geschehnisse hatte das NS-Regime anfangs eine breite Zustimmung in den Teilen der Bevölkerung, die nicht verfolgt und diskriminiert wurden.
Vergiss nicht: Hitler und die NSDAP wurden gewählt. Der typische Wähler der NSDAP war protestantisch, lebte auf dem Land und fühlte sich in seiner Existenz bedroht. Vor allem junge Männer aus der Mittelschicht waren die Unterstützer. Viele verbanden mit der neuen Regierung die Hoffnung auf einen Weg aus der Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise.
Das NS-Regime durchdrang das komplette Leben der Bürger. Schnell verfestigte sich auch das Ideal der Volksgemeinschaft im alltäglichen Leben. Viele hofften auf soziale Gleichheit und Chancen. War man kein aktiver Unterstützer des NS-Regimes, dann kam es oft vor, dass man sich dennoch anpasste: Aus Angst vor Verfolgung oder Bestrafung. Nur wenige brachten den Mut auf, sich aktiv gegen das Regimes zu wehren.