Parallel zu diesen Ereignissen fanden am 6. Mai 1989 in der DDR Kommunalwahlen statt. Wie bisher auch, waren dies keine freien Wahlen. Es waren nur Kandidaten der Einheitsliste der Nationalen Front (Zusammenschluss der Parteien und Massenorganisationen der DDR) zugelassen. Dadurch wurden freie Wahlen vorgegaukelt, während in der Realität keine freien Wahlen stattfanden. Doch dieses Mal ließen sich die Bürger und die Opposition nicht mehr täuschen. Obwohl die SED-Führung durch öffentliche Auszählungen Transparenz und Gerechtigkeit vorspielte, deckten die Opposition und Wahlbeobachter Wahlfälschung auf. Ungültige Stimmzettel wurden als Ja-Stimmen gezählt, Wahlurnen zu früh geöffnet und Listen gefälscht.
Am Ende lautete das offizielle Ergebnis: Mehr als 98% für die Kandidaten der Einheitsliste. Doch dieses Ergebnis glaubte niemand mehr, da viele Bürger ermuntert durch die Reformen in der UdSSR mit „Nein“ stimmten. Die DDR-Bürger formierten sich zum Protest und Kirchengemeinden und oppositionelle Bürger erstatteten Strafanzeige gegen die Behörden. Diese Wahlmanipulation gilt als ein Grund für die Montagsdemonstrationen.
Als Montagsdemonstrationen werden friedliche Proteste und Demonstrationen bezeichnet, die ab September 1989 von Leipzig ausgehend, regelmäßig in der DDR stattfanden. Die Montagsdemonstrationen fanden zunächst als Anschluss des montäglichen Friedensgebets in der Nikolaikirche statt und bekamen immer mehr Zulauf. Die Demonstranten protestierten gegen die Stasi und die SED-Regierung und forderten mehr Mitbestimmungsrecht, Demokratie und Reisefreiheit. Von September bis Ende Oktober wurden aus den etwa 1000 Demonstranten fast 300.000 – ihr Leitspruch war: „Wir sind das Volk“. Viele hatten Angst vor einer gewaltsamen Niederschlagung der Demonstrationen, wie beim Volksaufstand 1953. Obwohl dies nach dem Aufstand die größten Demonstrationen der DDR waren, unternahm die Regierung nichts. Und auch die Sowjetunion hielt sich zurück und schritt nicht ein.
Inmitten dieser Ereignisse fielen die Feierlichkeiten zum 40-jährigen Bestehen der DDR. Am 7.10.1989 feierte die SED-Regierung den Jahrestag – begleitet von Massenprotesten und Demonstrationen. Doch davon ließ sich die Führung nicht beirren. Sie ignorierten die Forderungen der Demonstranten und lobten den sozialistischen Staat.
Übrigens: Du kennst bestimmt das Sprichwort „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“. Dieser Satz wurde so ähnlich von Michail Gorbatschow (Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion) während dieser Feier gesagt, um die DDR vor ihrer Reformunwilligkeit zu warnen. Gorbatschow warnte das DDR-Regime davor, dass ihnen durch die Verweigerung von Reformen irgendwann die Zeit davonlaufen würde und dann kleine Reformen nichts mehr ausrichten würden. Die deutsche Übersetzung des Dolmetschers wurde berühmt.
Die darauffolgenden Montagsdemonstrationen am 9.10.1989 waren sehr angespannt und symbolisch hoch aufgeladen. 90 000 Menschen demonstrierten in Leipzig ohne Gewalt. Diese Demonstration war ein Durchbruch für die Revolution und gleichzeitig auch eine Art Durchsetzung des Demonstrationsrechtes.
Doch lange konnte die DDR-Regierung die Krise ihres Staates nicht mehr ignorieren. Deshalb zwang die Parteispitze der SED ihren Generalsekretär Erich Honecker am 17.10.1989 zum Rücktritt. Offiziell begründete er sein Ausscheiden aus der Politik mit gesundheitlichen Gründen – tatsächlich erhoffte sich die SED durch einen Führungswechsel die Demonstranten zu beruhigen und die Unterstützung für die SED zurückzugewinnen. Doch dafür wählten sie den falschen Nachfolger aus: Egon Krenz (bisher Stellvertreter des Vorsitzenden des Staatsrates) übernahm die Ämter Honeckers. Die Protestanten machten Krenz für die Wahlmanipulation mitverantwortlich, da er als Wahlleiter fungiert hatte. Deshalb glaubten sie ihm nicht, als er Reformen und Reisefreiheit versprach.
Am 4.11.1989 kam es zu Massendemonstrationen in Ost-Berlin. Über 500 000 Menschen demonstrierten für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und freie Wahlen.
Die DDR-Regierung versuchte nun – viel zu spät – den Protestbewegungen mit Reformen entgegenzuwirken. Dann überschlagen sich die Ereignisse: Am 9.11.1989 reagiert die Regierung auf die Forderungen der Demonstranten nach Reisefreiheit. Günter Schabowski (Mitglied des SED-Politbüros) versprach den DDR-Bürgern auf einer Pressekonferenz Reisefreiheit. Bereits am selben Tag wird in den Abendnachrichten der BRD von der Öffnung der Grenze beider deutscher Staaten berichtet. Da viele DDR-Bürger auch die Westnachrichten verfolgten, strömten daraufhin tausende Menschen an die Mauer in Berlin. Obwohl keine tatsächliche Anordnung vorlag, öffneten die zuständigen Grenzsoldaten wenig später die Grenze – die Menschen konnten ungehindert zwischen der BRD und der DDR passieren: Die Mauer war offen, der Mauerfall geschehen.
Danach war auch die DDR-Regierung nicht mehr zu halten. Mit der Regierung zerfiel auch die SED. Bereits am 1.12.1989 wurde der Führungsanspruch der SED aus der Verfassung der DDR genommen. Trotz geheimer Neuwahlen konnte das Versagen der Regierung nicht aufgehalten werden. Krenz tritt nur zwei Tage später von seinen Ämtern zurück, mit ihm auch das Politbüro und das Zentralkomitee. Am Ende des Jahres 1989 trafen sich verschiedene politische Vertreter zum „Zentralen Runden Tisch“, um über die Zukunft der DDR zu beraten.