Der Begriff Expressionismus leitet sich von dem lateinischen Wort „expremere“ (deutsch: ausdrücken) ab. Der Expressionismus wird daher auch als „Kunst des gesteigerten Ausdrucks“ bezeichnet. Dieses Ausdrücken bezieht sich auf das Teilhaben der Außenwelt an innerlich gesehenen Wahrheiten und Erlebnissen.
Die Zeit des Expressionismus ist entscheidend von den historischen Ereignissen geprägt.
Politische Krisen und der erste Weltkrieg: Durch die imperialistischen Bestrebungen sowie verschiedene internationale Krisen baut sich in Europa eine starke politische Spannung auf, die in einem Aufrüsten sowie in dem ersten Weltkrieg gipfelt. Die Vorbereitung, der Verlauf sowie die Folgen des ersten Weltkrieges wirkten sich auf die Motive des Expressionismus aus.
Novemberrevolution und Weimarer Republik: Die Novemberrevolution von 1918/19 führt in der Endphase des ersten Weltkrieges zum Sturz der Monarchie. Aus dieser Revolution entsteht die recht instabile Weimarer Republik.
Industrialisierung und Urbanisierung: Die Industrialisierung beginnt zwar vor dem Expressionismus in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ist aber aufgrund ihrer Folgen für die Gesellschaft ein zentrales Thema der Expressionisten. Die Industrialisierung bringt viele neue Erfindungen, die das Produzieren verschiedener Produkte erleichtert und stark beschleunigt, denen die Menschen aber teilweise sehr misstrauten. Hinzu kommt das Urbanisierungsphänomen: Durch einen Anstieg des Bevölkerungswachstums sowie durch die Abwanderung vieler Menschen aus ländlichen Regionen in die industrialisierten Großstädte werden diese rasch überbevölkert. Dies führt zu Problemen wie mangelnder Wohnraum, fehlende Abfallbeseitigung und eine durch sinkende Löhne entstehende Massenarmut.
Die Psychoanalyse nach Sigmund Freud wird zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer bekannter und beeinflusst auch den Expressionismus. Freuds „Strukturmodell der Psyche“ mit der Unterteilung der Psyche in Ich, Über-Ich und Es liefert neue Ansatzpunkte zum Erklären und Deuten psychischer Probleme des Einzelnen sowie der Gesellschaft.
Auch die Schriften des Philosophen Friedrich Nietzsche beeinflussen den Expressionismus und die Menschen des 20. Jahrhunderts. Nietzsche zeigt sich gegenüber den aktuellen Entwicklungen skeptisch (Kulturpessimismus) und stellt den Willen des Individuums, das sich von den Zwängen und Regeln der Gesellschaft löst, in den Mittelpunkt.
Die Themen und Motive des Expressionismus werden entscheidend durch die Umstände der ersten zwei bis drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts geprägt: Politische Krisen und Instabilität, die Bedrohung und Folgen des ersten Weltkriegs sowie die Auswirkungen der Urbanisierung und Industrialisierung.
Das Großstadtmotiv: Großstädte werden in dieser Zeit zumeist negativ dargestellt. Durch die Landflucht und Urbanisierung mit zunehmender Bevölkerungsdichte, engen Wohnräumen sowie wenig Zugang zur Natur fühlten sich viele Menschen in der Anonymität und Orientierungslosigkeit verloren. Häufig wird in diesem Zusammenhang die damit einhergehende Reizüberflutung und das Gefühl von Unordnung und Chaos thematisiert.
Die Industrialisierung: Durch die Industrialisierung sind die meisten Menschen in großen Fabriken angestellt und müssen dort über einen langen Zeitraum schwerer und sehr monotoner Arbeit nachgehen. Zusätzlich sorgt der technische Fortschritt in Fabriken bei Vielen für Angst und Misstrauen gegenüber neuen Erfindungen. Diese Bedingungen führen zusammen mit der Hektik des Großstadtlebens zu einem Gefühl der Entindividualisierung (Entmenschlichung und Ich-Zerfall) und Sinnkrise des Menschen. Die Kunst und Literatur des Expressionismus werden auch genutzt, um jeder Langeweile des Alltags zu entfliehen.
Durch die imperialistischen Bestrebungen Kaiser Wilhelms, das Aufrüsten der Großmächte in Europa sowie mehrere Krisen (wie die Marokko- und Balkankrise) kommt es zu einer stetig fortschreitenden Destabilisierung Europas. Ein bevorstehender Krieg wird von einigen Expressionisten negativ mit Untergang und Katastrophen assoziiert, während andere dem Krieg mit Euphorie entgegenblicken und ihn als Möglichkeit der Veränderung sehen.
Die Kriegseuphorie verschwindet nach Beginn des 1. Weltkrieges jedoch sehr schnell und ein Gefühl von Angst und Schrecken tritt ein. Tod und Zerstörung sind immer häufiger Motive der Literatur und Kunst.