Die ideale Geliebte schaltet den Fernseher an, in dem gerade die Talkshow „Was alle denken“ vom Journalisten Würmer mit Heinrich Kramer als Gast läuft. Er redet über die Widerstandsgruppe „Recht auf Krankheit“ (kurz R.A.K.) und deren Motivation zur Auflehnung gegen die METHODE. Dabei wird deutlich, dass Kramer diese als Feinde der freiheitlichen Gesellschaft präsentiert und in ihren Ideen eine Rückwendung in das 20. Jahrhundert sieht. Indem er die Behauptung aufstellt, die Anzahl der Methodenfeinde nehme immer weiter zu und ihre Gefahr bestünde vor allem darin, dass sie nur lose miteinander verbunden seien, sodass jede und jeder ein Methodenfeind sein könne, schürt er auch die Angst der Zuschauer vor dieser Gruppierung.
Besonders dramatisiert wird die Situation dadurch, dass Kramer darauf hinweist, dass die Anhänger der Bewegung ursprünglich oftmals Anhänger der METHODE gewesen seien und aus der Mitte der Gesellschaft stammten. Dabei zieht er das Beispiel einer 34-jährigen Frau heran, die aus persönlicher Not heraus das große Ganze hinterfragt. In diesen Ausführungen erkennt sich Mia selbst wieder, die ideale Geliebte stellt klar, dass Kramer mit dieser Frau wohl Mia meint und fordert eine eindeutige Positionierung von dieser. Mia aber lehnt dies ab und betont, dass Kramer, genauso wie auch schon zuvor, genauso viel Recht wie Unrecht habe, was im Übrigen auch für dessen Gegner gelte. Damit beweist Mia ihre rationale Denkweise.
Die Talkshow mündet in eine quasi Kriegserklärung Kramers gegen die METHODEN-Gegner, deren Anzahl sich immer weitervermehre. In dieser wird die METHODE als Rettung aus dem Werteverfall in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts darstellt, welche die Unsicherheit, die Angst und die chaotischen Zustände beendet habe. Damit charakterisiert er die METHODE als Garant für Sicherheit, Wohlbefinden und Ordnung, woraus abzuleiten sei, dass die Methodenfeinde eine Gefahr für die Gesellschaft darstellten und daher bekämpft werden müssten. Es wird der große Applaus des Publikums gezeigt, der als Reaktion auf diese Ankündigung ausbricht.
Dieses Kapitel ist in vielerlei Hinsicht wichtig für die Deutung des Romans: Zunächst einmal spielt der Name R.A.K. (= Recht auf Krankheit) auf die RAF (= die Rote Arme Fraktion) an, eine linksextremistische Terrororganisation, die in den 1970er bis 1990er Jahren zahlreiche Anschläge, Geiselnamen, Entführungen und Morde verübte hat, wobei sie durchaus auch von einer nicht geringen Anzahl von Sympathisanten innerhalb der Bevölkerung unterstützt wurde. Ziel war – verkürzt dargestellt – eine Änderung des kapitalistischen, bürgerlichen Systems der Bunderegierung und eine „Befreiung“ vom amerikanischen Imperialismus. Durch diese Namensgebung wird die Bewegung der R.A.K. indirekt natürlich als terroristisch charakterisiert, sie wird innerhalb der fiktiven Bevölkerung als lebensbedrohend dargestellt.
Insgesamt erinnern die Ausführungen und Argumentationsstrategien Kramers sehr an die Argumentationslinien diktatorischer Regime, um deren Kampf gegen Feinde des Systems innerhalb der Gesellschaft zu rechtfertigen und Unterstützung zu erfahren. Es wird – wie so oft bei dieser Art von Argumentation – mit Übergeneralisierung, Schüren von Angst, Behauptung anstatt Argumentation und Schwarz-Weiß-Technik gearbeitet.
Die Rolle der Medien innerhalb der Gesellschaft wird hier deutlich vor Augen geführt. Medien werden als Manipulationsmittel der Regime, hier der METHODE, genutzt. Sie verbreiten die Propaganda im Sinne des Herrschaftssystems und schwören die Zuschauer auf die gemeinsame Ideologie ein. Es erfolgt eine einseitige Berichterstattung, sodass Gegenpositionen und Diskurse unmöglich gemacht werden, Misstrauen gegen potentielle Feinde gesät und zur Denunziation aufgerufen wird. Ziel ist die Gleichschaltung der Bevölkerung, was auch durch den Titel der Talkshow („Was Alle Denken“) verdeutlicht wird. Hier findet man ein Paradebeispiel dafür, wie Sprache, Medien und Wirklichkeit zusammenhängen.
Für Mia Holl persönlich und damit für den weiteren Verlauf der Handlung spielt dieses Kapitel insofern eine tragende Rolle, da Kramer ihr quasi direkt eine Kriegserklärung macht: Wenn sie nicht aufhört, gegen das System zu handeln, wird sie als Methodenfeindin betrachtet und muss mit Verfolgung und Bestrafung rechnen.