Marie und Woyzeck begegnen sich auf der Straße, wobei Woyzeck in einer Art fiebrigem Wahn gefangen zu sein scheint. In diesem ahnt er Maries Untreue. Statt seinen Verdacht geheimzuhalten, spricht er sie darauf an: „Adieu, Marie, du bist schön wie die Sünde. Kann die Todsünde so schön sein?“. Außerdem versucht er ein Geständnis von ihr zu bekommen, indem er sagt, er habe „ihn“ gesehen. Sie ist zunächst ob seines wahnsinnigen Verhaltens eingeschüchtert, streitet nach seinem Vorwurf allerdings dreist alles ab, versucht seinen Verdacht mit seinen Wahnvorstellungen zu begründen und macht sich über seine Eifersucht lustig.
Diese Szene zeigt zwei Ursachen auf dem Weg zum Mord besonders deutlich:
Erstens verschlechtert sich Woyzecks gesundheitlicher und geistiger Zustand merklich, wobei in der folgenden Szene der Grund dafür endlich aufgedeckt wird.
Zweitens tritt hier der Konflikt zwischen Marie und Woyzeck offen zutage, was für letzteren einen großen und schwerwiegenden Verlust bedeutet: Sogar seine eigene Partnerin belügt und betrügt ihn, ja, demütigt ihn vor der Welt.
Auch wenn es derzeit nur ein Verdacht ist und Marie ihren Fehltritt leugnet, beginnt hier nun der Abstieg hin zur Katastrophe.
Woyzeck lässt den Doktor Experimente an sich durchführen, um Geld zu verdienen, und isst daher zur Zeit nur Erbsen, da der Doktor die Auswirkungen einseitiger Ernährung untersuchen will. Die Szene beginnt damit, dass der Doktor sich über sein Versuchsobjekt ärgert, weil dieser an die Wand gepisst hat und nun kein Wasser mehr lassen kann – so steht es nicht im Vertrag, denn der Doktor will Urinproben von Woyzeck haben. Außerdem ärgert er sich über Woyzecks Behauptung, er könne seine Natur (das Urinieren) nicht steuern, denn in vorherigen Untersuchungen habe er bereits nachgewiesen, dass der Mensch seinen Blasenschließmuskel kontrollieren könne. Seinen Ärger jedoch will der Doktor nicht zulassen, er beobachtet seinen eigenen Puls und hält fest, dass Ärger unwissenschaftlich sei.
Im Anschluss schildert Woyzeck seine Visionen („Wenn die Sonn in Mittag steht und es ist, als ging die Welt in Feuer auf, hat schon eine fürchterliche Stimme zu mir geredt!“), die der Doktor als Geistesverwirrung deutet. Für ihn ist Woyzeck lediglich ein „interessanter casus“ und „Subjekt Woyzeck“, sodass er sich über dessen Verwirrung so sehr freut, dass er ihm sogar eine Zulage zusagt. Dass diese Verwirrung seinem Patienten schadet, interessiert den Doktor keineswegs.
In dieser Szene greift Büchner zwei Aspekte wieder auf, die bereits zuvor beim Hauptmann angeklungen sind:
Die unterschiedlichen philosophischen Grundeinstellungen des Materialismus und des Idealismus (im Zusammenhang mit dem Determinismus)
Die Rolle der sozialen Schicht und das Verhältnis zwischen diesen.
Der Doktor wird hier als skrupelloser Wissenschaftler präsentiert, der nur an seinen Forschungen interessiert ist und dafür auch das Leid seiner Patienten bzw. Versuchskandidaten in Kauf nimmt, ja, sich sogar über die Erkenntnis, dass Woyzeck Wahnvorstellungen entwickelt, freut und ihn dafür bezahlt. Nie käme er auf den Gedanken, das Experiment abzubrechen. Er wird also getrieben von absolutem Forscherehrgeiz und zeigt sich dabei als Idealist: Er glaubt an die Vorherrschaft des Verstandes und daran, dass die Welt und das Verhalten des Menschen durch durch die Entscheidungsfreiheit der Menschen gesteuert werden können. Die Natur, also die Grundbedürfnisse des Menschen, sind für ihn keine Entschuldigung für irgendein Verhalten. Diese philosophische Grundeinstellung wurde bereits beim Hauptmann präsentiert, dessen Ideal jedoch Tugend und Moral sind.
Im Gegensatz dazu ist Woyzeck ein Vertreter des Materialismus. Das bedeutet, dass Woyzeck sich von körperlichen Zwängen gelenkt fühlt und seine Freiheit dadurch beschränkt wird, dass er auf Geld angewiesen ist. Er ist also keineswegs frei und kann sich vom Verstand leiten lassen, sondern muss dafür sorgen, dass er überleben kann. Dies erklärt auch, warum er sich auf das Experiment einlässt, obwohl auch ihm klar sein muss, dass er sich damit schadet: Ihm bleibt keine Wahl.
Diese philosophischen Grundeinstellungen präsentiert Büchner als von der sozialen Schichtzugehörigkeit abhängig und untermauert damit wiederum sein deterministisches Weltbild: Als Vertreter der Oberschicht, wie der Doktor oder auch der Hauptmann, kann man sich ein idealistisches Weltbild leisten und kann behaupten, der Mensch sei frei und solle seinem Verstand folgen bzw. Moral und Tugend leben. Als Vertreter der Unterschicht ist dies schlichtweg nicht möglich, wodurch die Willensfreiheit quasi direkt widerlegt wird.
Die sozialen Umstände determinieren den Menschen, er selbst kann sich nicht aus seiner Situation befreien.
Neben der Kritik an diesem heuchlerischen Weltbild der Oberschicht wird zudem wieder veranschaulicht, wie sehr Woyzeck von seinen Vorgesetzten gedemütigt wird, gleichzeitig aber auch von diesen abhängig ist.