Die Blutstillung und Blutgerinnung ist für das Abitur 2021/2022 kein abiturrelevantes Thema, wird an dieser Stelle jedoch aufgrund seiner Relevanz für viele Krankheitsbilder behandelt. Beim Lernen kann es für das Krankheitsverständnis helfen. Auswendiglernen ist hier jedoch höchstwahrscheinlich nicht hilfreich.
Die Blutstillung (primäre Hämostase) ist eine lebenswichtige Funktion, durch die Verletzungen der Blutgefäßwand innerhalb von wenigen Minuten geschlossen werden. Dadurch wird verhindert, dass Blut aus dem Gefäß austritt. Wichtige Spieler sind hierbei die Thrombozyten, aber auch die im Plasma gelösten Gerinnungsfaktoren und faserige Proteine, wie Kollagen und Fibrin.
Kommt es zu einer Verletzung der Gefäßwand, werden an der verletzten Stelle Kollagenfasern freigesetzt, an die sich Thrombozyten anheften (Thrombozytenadhäsion) und so die Wundränder überbrücken. Durch die Freisetzung von speziellen Zytokinen (von-Willebrand-Faktor, PDGF etc.) werden die angehefteten Thrombozyten aktiviert und verändern ihre Form. Sie werden flach und scheibenförmig und stülpen kleine Ausläufer aus, mit denen sie sich gegenseitig verhaken. Dadurch ballen sich die aktivierten Thrombozyten zusammen (Thrombozytenaggregation) und bilden einen Thrombozytenpfropf (Thrombus), der die Wunde abdichtet. Zusätzlich stoßen die Thrombozyten Faktoren, wie Thromboxan A2, Thrombozytenfaktor 3 und Seretonin, aus, die zur Gefäßverengung (Vasokonstriktion) führen und die Blutgerinnung einleiten. Auf diese Weise können kleinere Verletzungen binnen weniger Minuten verschlossen werden (Abbildung).
Ein Thrombus, der sich wie oben beschrieben von den Wundrändern abscheidet, bezeichnet man als Abscheidungsthrombus oder weißen Thrombus. Sind im Thrombus zusätzlich Erythrozyten eingelagert, spricht man vom roten Thrombus. Dieser entsteht durch die darauffolgende Blutgerinnung oder wenn der Blutfluss im Gefäß zu langsam ist und sich Erythrozyten ablagern (etwa durch eine sehr hohe Viskosität des Blutes).Um eine Blutung dauerhaft zu stoppen, reicht ein Thrombozytenpfropf häufig nicht aus. Gerinnungsfaktoren werden aktiv, die ein faseriges Netz aus Fibrin um den Thrombus herum spinnen und ihn so stabilisieren: Es kommt zur Blutgerinnung (Koagulation oder sekundäre Hämostase).
Im Blut zirkulieren allerdings keine „festen“ Fibrinfasern, da diese sonst die kleinen Kapillaren verstopfen würden. Stattdessen liegt Fibrin als gelöste Vorstufe, das Fibrinogen, im Blut vor. Um das gelöste Fibrinogen in das feste Fibrin umzusetzen, müssen zuvor viele verschiedene Gerinnungsfaktoren nacheinander aktiviert werden. Dies läuft ähnlich wie eine Kettenreaktion ab und wird daher als Gerinnungskaskade bezeichnet.
Die im Blut zirkulierenden Gerinnungsfaktoren werden klassischerweise mit römischen Ziffern benannt (Faktor I – XIII) und sind, bis auf Faktor IV (Ca2+-Ionen), im Blut gelöste Proteine. Sie werden überwiegend in der Leber gebildet, wobei die Faktor II, VII, IX und X nur im Vorhandensein von Vitamin K gebildet werden. Dies ist auch der Grund, weshalb die Blutgerinnung bei Leberschäden gestört sein kann. Der schon erwähnte von-Willebrand-Faktor ist ein indirekter Gerinnungsfaktor, da er als Trägerprotein für den Faktor VIII dient.
Die Gerinnungskaskade kann im Wesentlichen durch zwei Systeme angestoßen werden. Bei größeren Verletzungen, bei denen es in das umliegende Gewebe einblutet, wird das exogene System aktiv, das sehr schnell abläuft. Ist die Verletzung nur auf das Endothel (innerste Schicht der Gefäßwand) beschränkt, wird das endogene System aktiv, das über mehr Schritte abläuft und daher langsamer ist als das exogene System. Beide Systeme münden allerdings im Blut zusammen, wo sie beide den Faktor X aktivieren. Zusammen mit FaktorVa und Ca2+ setzt Faktor Xa das inaktive Prothrombin (Faktor II) in das aktive Thrombin (Faktor IIa) um, das schließlich Fibrinogen (Faktor I) in Fibrin umwandelt. Da Fibrin nun aber noch als gelöste Faser im Blut vorliegt, verknüpft Faktor XIIIa die einzelnen Fibrinfasern zu einem engmaschigen und festen Netz, das den Thrombus umhüllt und ihn vor einer vorzeitigen Auflösung schützt (Abbildung).
Da Kalzium bei der Blutgerinnung eine Schlüsselrolle einnimmt, kann man die Blutgerinnung unterbinden, indem man Ca2+ aus dem Blut entfernt. Dies kann man z. B. durch die Zugabe von Natriumzitrat, das Ca2+-Ionen bindet. Man kennt das vielleicht beim regulären Arztbesuch, wenn „Zitratröhrchen“ für die Blutentnahme verwendet werden.
Neben den Faktoren, die die Blutgerinnung in Gang setzen, zirkulieren zusätzlich Hemmstoffe (Inhibitoren) im Blut, die die Gerinnungsfaktoren hemmen. Dies ist wichtig, da so verhindert wird, dass sich an „gesunden“ Gefäßwänden Thromben bilden, die die Gefäße „verstopfen“ könnten. Fibrin, das sich von einer verletzen Stelle ablöst, wird beispielsweise so direkt inaktiviert. Wichtige körpereigene Gerinnungshemmer sind:
Neben den körpereigenen Gerinnungshemmern kann die Blutgerinnung aber auch durch therapeutische Präparate gehemmt werden. Dies ist sinnvoll bei Menschen, die ein hohes Thromboserisiko haben (bei hoher Blutviskosität, Hypertonie, längerer Immobilisation etc.) oder bei der Behandlung von bestehenden Thromben. Im Volksmund werden diese Medikamente häufig als „Blutverdünner“ bezeichnet. Dies ist aber im Grunde falsch, da das Blut nicht verdünnt, sondern lediglich die Blutgerinnung oder Thrombozytenaggregation verhindert wird.
Zu den Gerinnungshemmern (Antikoagulanzien) gehören Medikamente wie Heparin oder die Cumarinderivate. Heparin hemmt die Fibrinbildung, indem es mit Antithrombin einen Komplex eingeht und die Faktoren II und X hemmt. Marcumar ist wohl das bekannteste Cumarinderivat und dient der prophylaktischen Langzeitantikoagulation. Es ist ein Gegenspieler zum Vitamin K und verhindert so die Synthese der Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X in der Leber.
Von den Gerinnungshemmern abzugrenzen sind die Thrombozytenaggregationshemmer. Hierzu zählt unter anderem die Acetylsalicylsäure (ASS, Handelsname: „Aspirin“), die nicht die Gerinnungsfaktoren inhibiert, sondern das Verklumpen der Thrombozyten hemmt. ASS hemmt die Cyclooxygenasen COX-1 und COX-2. In niedriger Dosierung ist ASS ein selektiver COX-1-Hemmer, wodurch die Bildung von Thromboxan A2 in den Thrombozyten reduziert und die Thrombozytenaggregation gehemmt wird. Besonders das Risiko für arterielle Thrombosen wird so reduziert.