Aristoteles (384 v. Chr. – 322 v. Chr.) gilt als einer der einflussreichsten und bedeutendsten Philosophen der Antike. Er war Schüler des Platons, doch entwickelte er viele eigene Ideen und grenzte sich von seinem Lehrmeister ab. Für Aristoteles ist der vernünftige und sprachbegabte Mensch die Krone der Schöpfung. Im folgenden Kapitel wirst du mehr über seine Sicht auf den Menschen erfahren und warum seiner Meinung nach, der Mensch dazu geboren ist, in einem Staat zu leben.
Laut Aristoteles ist der Mensch als einziges Wesen in seiner Natur und seinem Geist göttlich und daher mit der Vernunft ausgestattet. Dies würde sich in seiner körperlichen Ausstattung niederschlagen. Da der Mensch Göttliches in sich trage, wurde er mit einem aufrechten Gang und insbesondere mit zwei Händen ausgestattet. Die Hände bezeichnet Aristoteles als Werkzeug aller Werkzeuge. Gegen den Einwand, dass der Mensch in bestimmten Aspekten unterlegen sei, sei es in seiner „Nacktheit“ oder in der Nicht-Ausstattung an Krallen und Klauen erwidert Aristoteles, dass der Mensch in der Lage sei, sich stetig zu verändern. Durch seine Hände kann er immer zu dem Hilfsmittel greifen, was er gerade braucht, und sei dadurch nicht auf ein bestimmtes limitiert.
Wir Menschen sind also laut Aristoteles Vernunftwesen, wir haben aber dennoch Triebe in uns. Das triebhafte Begehren ist dafür verantwortlich, einen ersten Impuls für unser Handeln zu senden. So sagen mir meine Triebe, dass ich durstig bin und sorgen so dafür, dass ich etwas trinken will. Dem gegenüber beziehungsweise höhergestellt ist unsere Vernunft, der Logos, die Fähigkeit, die Triebe am Maßstab der Vernunft zu messen und demensprechend anzupassen. So sagen mir meine Triebe vielleicht, dass ich Durst habe und etwas trinken möchte, mein Logos jedoch sagt mir, dass ich gerade eine Zahnbehandlung hatte und erst in einer Stunde wieder etwas trinken darf. Es passt also die von den Trieben angestoßene Handlung der Realität an.
Diese Fähigkeit der Vernunft hat nur der Mensch und unterscheidet sich somit von anderen Lebewesen.
Aristoteles klassifiziert den Menschen als ein sogenanntes zoon politikon, ein Wesen, dass nur in der Gemeinschaft, in einem Staat, gut existieren kann. Dabei bezeichnet er die Polis, also den Staat, als einen natürlichen Zustand des Menschen, da nur im Staat der Mensch wirklich Mensch sein könnte. Dabei teilt Aristoteles die Gemeinschaft in unterschiedliche Stufen ein, die sich hin zur Polis entwickeln.
Es beginnt auf der familiären Ebene, in der sich Mann und Frau zum Zwecke der Weitervermehrung zu einem Haus zusammenschließen, ebenso wie Menschen, die natürlich zum Herrschen bestimmt sind, mit denen, die nur Befehle befolgen können (Merke: An dieser Stelle wird deutlich, dass Aristoteles Sklaverei als etwas Natürliches bezeichnet und damit versucht zu rechtfertigen, dass manche Menschen eben dazu geboren seien). Dieser Haushalt ist aber nur dazu in der Lage, die alltäglichen Bedürfnisse zu stillen und so muss ein Zusammenschluss auf einer weiteren, höheren Ebene erfolgen.
Auf dieser zweiten Ebene schließen sich mehrere Haushalte zu einer Dorfgemeinschaft zusammen, die dann nicht mehr nur noch die täglichen Bedürfnisse befriedigen können, sondern auch Geselligkeit bieten. Doch auch hier geht es immer noch nur um das reine Überleben.
Dies ändert sich erst in der dritten Ebene, der Polis, in der sich mehrere Dörfer zu einem Staat zusammenschließen. Durch die Polis erreicht der Mensch die Unabhängigkeit und ist damit in der Lage, ein gutes Leben zu führen. Die Unabhängigkeit ist hier im Bezug zum Überlebenstrieb gemeint. Durch den Zusammenschluss vieler muss niemand mehr allein für sein Überleben kämpfen und gewinnt dadurch Zeit und Möglichkeiten. Dadurch, dass der Mensch sich zu einem Staat zusammenschließen muss, um erstens sein Überleben zu sichern und zweitens, um ein gutes Leben führen zu können, schließt Aristoteles, dass der Mensch von Natur aus ein staatliches Wesen, also ein zoon politikon ist.
Um dieses Argument weiter zu stützen, führt er die Sprachfähigkeit des Menschen an. Durch die Sprache kann der Mensch in den Diskurs treten über das, was gut und was schlecht, was gerecht und ungerecht ist. Diese Frage nach der Gerechtigkeit macht die Polis aus. Durch die Sprachfähigkeit zeigt sich auch, dass der Mensch ein Wesen ist, das mit Vernunft (Logos) ausgestattet ist, ein sogenanntes zoon logon echon. Christof Rapp (2001) schreibt in „Aristoteles zur Einführung“: „Die Formel von der politischen Natur des Menschen bedeutet daher, dass der Mensch durch seine Kooperationsbedürftigkeit, durch das Streben nach Autarkie und durch die sprachliche Kommunikationsfähigkeit seine natürlichen Anlagen am besten im Rahmen einer gesetzlich geregelten Gemeinschaft, dem Staat, verwirklichen kann.“
Aristoteles stellt aber auch klar, dass der Mensch kein friedliebendes Wesen ist, im Gegenteil. Losgelöst von der Gemeinschaft und mit Waffen ausgestattet, ist der Mensch das gefährlichste Lebewesen von allen, ein weiterer Punkt, weswegen die Polis eine so wichtige Rolle spielt.