Wir alle wollen gerecht behandelt werden – der Wunsch nach Fairness ist groß. Doch wie schafft es eine Gesellschaft bzw. ein Staat, Gerechtigkeit herzustellen? Bereits der antike griechische Historiker Herodot stellte fest, dass wir Menschen Bräuche benötigen, also eine innerhalb einer Gemeinschaft fest gewordene und in bestimmten Formen ausgebildete Gewohnheit. Das schafft Sicherheit und Verlässlichkeit im Miteinander. In der modernen anthropologischen Forschung wird sich damit jedoch auch kritisch auseinandergesetzt. Brauchtum bestätigt Grundsätze für das menschliche Zusammenleben. Jedoch müssen diese Grundsätze genau überprüft werden, damit am Ende nicht menschenverachtende Normen das Ergebnis sind. Beispiele aus der Geschichte fallen dir sicher schnell ein, wenn du an den Nationalsozialismus denkst.
Es ergeben sich schnell weitere Fragen und Problemstellungen: Ist das staatliche Recht wirklich immer verbindlich? Gibt es Situationen, in denen geltendes Recht für Unrecht erklärt werden sollte? Darf jemand, dessen Handeln sich am geltenden Recht seines Landes orientierte, bestraft werden, weil eine neue Rechtsordnung unter Strafe stellt, was die alte Rechtsordnung als rechtmäßiges Handeln erlaubte oder gar vorschrieb?
Ein Beispiel soll diese Gedanken verdeutlichen: Der ehemalige SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann floh nach Ende des 2. Weltkriegs nach Argentinien. Der israelische Geheimdienst spürte ihn auf und entführte ihn 1960 nach Israel. Ein Jahr später wurde ihm der Prozess gemacht und das Todesurteil verhängt. Eichmann berief sich in seiner Verteidigung darauf, er habe nur Befehle befolgt. Schuld sei er deshalb nicht. Recherchiere selbst einmal diesen Fall und überprüfe am Ende des Kapitels deine Vorüberlegungen.