Die beiden amerikanischen Autoren Tom L. Beauchamp und James F. Childress prägen seit 1979 mit ihrem Buch „Principles of Ethics“ die medizinethische Debatte.
Sie stellten erstmalig vier ethische Prinzipien vor, die als Ausgangspunkt für die Behandlung moralischer Probleme im Bereich der Biomedizin dienen sollen. Die Prinzipien Autonomie des Patienten (respect for autonomy), Nicht-Schaden (nonmaleficence), Fürsorge (beneficence) und Gerechtigkeit (justice) haben eine erstaunliche Popularität erlangt. Sie werden für die systematische Bearbeitung ethischer Problemfelder ebenso herangezogen wie für die Beurteilung moralischer Dilemmata im klinischen Alltag.
Eine genauere Erläuterung der einzelnen Prinzipien verschafft dir einen Überblick.
- Autonomie des Patienten: Hinter diesem Prinzip steht einerseits der Schutz vor Zwang oder manipulativer Einflussnahme gegenüber einem Patienten und andererseits das Fördern der Entscheidungsfreiheit des Patienten durch eine entsprechende Aufklärung durch den Arzt. Das setzt voraus, dass der Arzt aufrichtig handelt, ein Vertrauens- und Treueverhältnis besteht sowie die Privatsphäre des Patienten geachtet wird. Vor jeder medizinischen Maßnahme muss somit eine informierende Einwilligung erfolgen (Aufklärung und anschließende aktive Zustimmung).
- Nicht-Schadensprinzip: Dieses Prinzip greift auf den hippokratischen Eid des Arztes zurück, der seit der Antike existiert. Es beinhaltet das Verbot, dem Patienten Schaden zuzufügen. Behandlungen sind nicht immer nebenwirkungsfrei (z.B. Operationen oder Chemotherapie), weshalb eine genaue Fallanalyse notwendig ist, bei der Nutzen, Schaden und Risiko einer Maßnahme analysiert werden. Eine genaue Bewertung und Abwägung sind unumgänglich.
- Fürsorgeprinzip: Neben dem Schadensverbot hat ein Arzt auch ein Fürsorgegebot zu beachten. Schaden soll verhindert bzw. beseitigt und darüber hinaus das Wohl des Patienten aktiv gefördert werden. Auch hier ist eine genaue Fallanalyse nötig.
- Gerechtigkeitsprinzip: Die Orientierung an gerechten Entscheidungen zielt in der Medizin auf eine faire Verteilung von Nutzen und Lasten im Gesundheitswesen ab. Basis stellt hier ein Gleichheitsprinzip dar, wenn es beispielsweise um den Anspruch auf gleichen Zugang zu medizinischen Leistungen geht. ACHTUNG: nicht immer ist dies möglich – Ungleichbehandlungen können durch moralisch bedeutsame Gründe erlaubt werden. Deutlich wird dies bei der Verteilung von Spenderorganen. Es gilt das Bedürfnisprinzip in den Blick zu nehmen, bei dem fundamentale, existentielle und notwendige Bedürfnisse des Patienten erfüllt werden sollen, um erheblichen Schaden abzuwenden.
Soweit die Theorie – doch wie sieht die Anwendung in der Praxis aus?
Im ersten Schritt werden die vier Prinzipien auf den konkreten Fall hin interpretiert. Es schließt sich eine Überprüfung der einzelnen Prinzipien an. Es wird dabei kontrolliert, ob die sich ergebenden Verpflichtungen übereinstimmen oder in Konflikt zueinanderstehen – dann erfolgt die Gewichtung.
Beauchamp und Childress schließen eine Rangordnung der Prinzipien bewusst aus – eher muss der Einzelfall eine Abwägung hervorrufen. Manchmal ist dann eine begrenzte Schädigung geboten, um einen größeren Schaden zu verhindern. Ebenso werden auch Patientenrechte eingeschränkt, wenn es Maßnahmen erfordern. Besondere Aufmerksamkeit kommt jedoch der Patientenautonomie zu – strittig ist, wie weit ein Arzt eingreifen darf und so das Wohl des Patienten unterordnet.
Solch ein Problem wird deutlich, wenn beispielsweise ein Kind eine Bluttransfusion benötigt, die Eltern sich allerdings aus religiösen Gründen dagegen aussprechen.