Präventive Gendiagnostik könnte uns unter anderem ermöglichen, bereits vor oder direkt nach der Geburt zu bestimmen, an welchen Erkrankungen das Neugeborene im Laufe seines Lebens leiden könnte. Durch entsprechende Behandlungen könnte dann schon präventiv in die Krankheitsentstehung eingegriffen werden. Doch ist das keine einfache Abwägung.
Durch die Gendiagnostik haben wir zahlreiche Möglichkeiten. Mit einer Analyse des Erbgutes kann beispielsweise der leibliche Vater eines Kindes ermittelt oder durch pränatale Gentests können Ungeborene auf Erbkrankheiten untersucht werden.
In Deutschland haben wir ein Gendiagnostikgesetz, welches einen Missbrauch der genetischen Untersuchungen verhindern soll. Zudem regelt es die Durchführung von genetischen Untersuchungen am Menschen. Damit eine genetische Diskriminierung verhindert, aber dennoch die Nutzung ermöglicht werden kann, entscheidet jede Person individuell, wie mit den Ergebnissen umgegangen werden soll. Zudem haben alle Personen ein Recht aufNichtwissen.
Auch im Bereich der künstlichen Befruchtung kommt die Gendiagnostik zum Tragen. Eizellen können im Reagenzglas mit einer Samenspende befruchtet werden (In-vitro-Fertilisation). Die so gezeugten Embryonen werden im Labor bevor sie in die Gebärmutter eingesetzt werden auf genetische Defekte hin untersucht (Präimplantationsdiagnostik).
Doch was machen wir hier eigentlich? Es findet eine „Menschmachung“ statt. Es erfolgt eine Auswahl an einsetzbaren Embryonen, deren Erbgut keine erkennbaren Krankheitsmerkmale aufweisen. Die Gendiagnostik lässt uns erkennen, welche Embryonen „gesund“ sind und welche die Veranlagung zu Erbkrankheiten aufweisen. WICHTIG: Die PID ermöglicht uns auch den Weg einer positiven Selektion - so könnten das Geschlecht des Kindes sowie weitere gewünschte Eigenschaften vorbestimmt ausgewählt werden!
Doch hier greift das Embryonenschutzgesetz (gültig seit 1990): ein Missbrauch der Fortpflanzungstechniken ist mit Freiheits- und Geldstrafen belegt.
Was ist nach Gesetz erlaubt: Nur speziell ausgebildete Ärzte dürfen künstliche Befruchtungen anbieten und zu dem Zweck ausführen, dass die Frau schwanger wird und nur von ihr die Eizelle stammt.
Was genau steht unter Strafe: Es ist verboten mehr befruchtete Eizellen im Labor zu Embryonen heranreifen zu lassen als der Frau innerhalb eines Behandlungsversuchs übertragen werden sollen. Zudem ist eine Geschlechtswahl verboten – Ausnahme ist, wenn geschlechtsgebundene, schwere Erbkrankheiten damit vermieden werden können. Ebenso dürfen auch keine Eizellspenden und Leihmutterschaften ausgeübt werden. Ein Forschungsverbot (absichtlich künstliche Veränderung menschlicher Keimbahnzellen) an künstlich geschaffenen Embryonen ist im Gesetz klar unter Strafe gestellt. Das umfasst menschliche Klone oder auch Hybride aus Mensch und Tier.
Mit der Diagnostik unserer Gene können Erbkrankheiten im Vorfeld erkannt werden, doch die Möglichkeiten reichen deutlich weiter. In der öffentlichen Diskussion wird so immer wieder auf den Wert der Begriffe Normalität oder Behinderung verwiesen. Schnell kann die Diskussion in die Richtung kippen, dass Menschen mit Behinderung in einer Kosten-Nutzen-Rechnung gegenüber den möglichen Einspareffekten durch Gendiagnostik schlechter abschneiden würden.
Wir können durch diese medizinischen Mittel Klarheit bei Krankheiten schaffen, doch wollen wir das Wissen darüber überhaupt nutzen und können wir dann auch mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen leben?
Im Film Gattaca (1997) wird eine dystopische Gesellschaft präsentiert, in der Ärzte ganz gezielt über die Gene der potentiellen Kinder entscheiden. Eltern können alle Eigenschaften auswählen, Krankheiten werden gänzlich ausgeschlossen und auch das genaue Sterbedatum ist errechenbar. Die eigenen Gene bestimmen über die eigene Zukunft. Jedoch steht diese moderne Technik nicht allen Menschen zur Verfügung. Wie mit den Menschen umgehen, welche die Möglichkeiten noch nicht nutzen konnten? Der Protagonist zeigt dies auf sehr kritische Art und Weise auf.
Bei manchen Krankheiten, wie Diabetes Typ 2, können Betroffene schon frühzeitig eine Medikamententherapie vermeiden, wenn sie sich angemessen verhalten. Doch wie sieht es mit schwerwiegenden Krankheiten, wie der Huntington-Krankheit aus? Träger dieser Krankheit sind bis zum jungen Erwachsenenalter völlig gesund. Erst zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr bricht die Krankheit unaufhaltsam aus. Es kommt zur Beeinträchtigung des Gehirns, was zu Bewegungsstörungen und psychischen Veränderungen mit Verhaltensstörungen führt. Das veränderte Gen wird über Vater oder Mutter vererbt. Es besteht somit eine 50% Wahrscheinlichkeit daran ebenfalls zu erkranken. Gentests können Klarheit über eine Vererbung schaffen. Dies bedeutet aber auch eine psychische und soziale Auswirkung auf den Betroffenen. Volljährige dürfen selbst über die Durchführung eines Gentests entscheiden. Bei Minderjährigen oder auf Wunsch Dritter wird solch ein Verfahren nicht angewandt. Es ist möglich, mit Medikamenten körperliche und psychische Leiden zu vermindern.
Es bleibt ein Recht auf Nichtwissen über eigene genetische Dispositionen. Ich entscheide selbst, ob ich Testergebnisse erfahren möchte. Ein Testergebnis bedeutet auch einen psychischen Druck und hat Einfluss auf mich und meine nahen Angehörigen.