Zelltypen des Nervensystems
Das Nervensystem bzw. das Nervengewebe besteht im Wesentlichen aus zwei Zelltypen: den Neuronen, die Informationen aufnehmen, verarbeiten und weiterleiten und den Gliazellen, die unterstützende Aufgaben im Nervengewebe übernehmen.
Neuronen
Die Neuronen (Abb. 1) lassen sich ihrerseits auf verschiedene Weisen weiter klassifizieren. Eine Möglichkeit ist die Unterscheidung durch die Anzahl ihrer Fortsätze.
Neuronen mit nur einem Fortsatz werden als unipolare Nervenzellen (Abb. 1A) bezeichnet. Sie sind unter anderem in der Netzhaut anzutreffen und dienen als primäre Sinneszelle. Bipolare Nervenzellen (Abb. 1B) verfügen über zwei Fortsätze. Zumeist tragen sie einen Dendriten (griechisch, dendron = Baum), an dem Reize aufgenommen werden, und ein Axon, das die Reize weiterleitet. Neuronen, die eine Vielzahl von Dendriten und Axonen tragen, werden als multipolare Nervenzellen (Abb. 1C) bezeichnet. Häufig sind sie als motorische Neuronen im Rückenmark zu finden, die zum Beispiel Signale aus dem zentralen Nervensystem an die Skelettmuskulatur weiterleiten. Ihre Axone können dabei eine beträchtliche Länge von bis zu einem Meter erreichen. Eine weitere Klasse bilden die sogenannten pseudounipolaren Nervenzellen (Abb. 1D). Bei ihnen gehen Axon und Dendrit nahe dem Zellkörper (Soma) ineinander über. Auf diese Weise umgeht der Reiz den Weg über den Zellkörper und wird direkt vom Dendrit zum Axon geleitet.
Abbildung 1: Klassifizierung der Neurone nach Anzahl ihrer Fortsätze
(A) Unipolare Nervenzelle, wie man sie z.B. als primäre Sinneszelle in der Netzhaut findet. (B) Eine typische bipolare Nervenzelle. (C) Multipolare Nervenzelle. (D) Pseudounipolare Nervenzelle.
Dr. Julian Wagner
Neben dieser Art der Einteilung bietet sich auch an, Neuronen gemäß ihrer Funktion zu klassifizieren. Im Allgemeinen werden daher Neuronen in motorische, sensorische und Interneuronen unterschieden.
Als motorische Neuronen (oder auch Motoneuronen) bezeichnet man Nervenzellen, die Signale vom zentralen Nervensystem, also von dem Gehirn und dem Rückenmark, zu den Muskeln und den Drüsen übermitteln. Die Signalübertragung erfolgt dabei efferent, das bedeutet, dass Informationen vom ZNS aus in die Peripherie geleitet werden.
Sensorische Nervenzellen hingegen übermitteln Informationen von den Rezeptoren der Sinnesorgane (zum Beispiel über visuelle oder akustische Signale) und inneren Organe an das ZNS. Im Gegensatz zu den motorischen Neuronen bezeichnet man bei den sensorischen Neuronen die Signalübertragung als afferent, da bei ihnen Signale von der Peripherie zum ZNS übertragen werden. Den Großteil der Neuronen bilden die Interneuronen. Sie sind weder spezifisch afferent noch spezifisch efferent und übertragen Informationen über weit entfernte Bereiche des Körpers (Abb. 2).
Abbildung 2: Afferenz und Efferenz
Afferente Nerven leiten Signale von Sinnesorganen zum zentralen Nervensystem. Diese Nerven werden auch sensorische Nerven genannt. Efferente Nerven leiten Impulse zu Effektororgane (z. B. Muskeln). Diese werden auch als motorische Nerven genannt.
Dr. Julian Wagner
Gliazellen
Die Fähigkeit elektrische Reize wahrzunehmen, zu verarbeiten und weiterzuleiten, führte zum Verlust wichtiger zellulärer Funktionen. So sind ausdifferenzierte Neuronen nicht mehr in der Lage, sich selbst mit Nährstoffen zu versorgen oder zu teilen. Um diesen Verlust zu kompensieren, besteht das Nervengewebe zum Großteil aus sogenannten Gliazellen (griechisch, glia = Leim), die die Neuronen stützen, mit Nährstoffen versorgen, elektrisch voneinander isolieren, schützen und ein Narbengewebe bilden können, um etwaige verletzte oder beschädigte Neuronen zu ersetzen. Gliazellen lassen sich dabei in verschiedene Typen unterteilen:
Astrozyten
Astrozyten (griechisch, astron = Stern) sind Versorgerzellen, die Neuronen umgeben und mit Nährstoffen versorgen. Im zentralen Nervensystem sind sie an der Bildung der Blut-Hirn-Schranke (Abb. 3) beteiligt, die den Stoffaustausch zwischen den Kapillargefäßen und dem Gehirn kontrolliert. Auf diese Weise werden Giftstoffe gefiltert, die sonst Neuronen schädigen würden. Alkohol, wie etwa der trinkbare Ethyl-Alkohol, kann jedoch die Blut-Hirn-Schranke leicht passieren, wodurch es auch zu den typischen Erscheinungen nach übermäßigem Alkoholgenuss kommt. Kommt es zu Nekrosen im Nervengewebe, sterben also Neuronen ab, zum Beispiel durch übermäßigen Alkoholgenuss oder durch mechanischen Stress (Schläge), dann beginnen sich Astrozyten vermehrt zu teilen, um die abgestorbenen Neuronen zu ersetzen. Dieser narbige Ersatz, auch Glianarbe genannt, kann dann allerdings keine Reize mehr übertragen.
Abbildung 3: Schematische Darstellung der Blut-Hirn- Schranke
Astrozyten verbinden Neuronen des Gehirns mit Blutgefäßen. Dabei kontrollieren sie den Stoffaustausch zwischen Neuronen und Blut.
Dr. Julian Wagner
Oligodendrozyten
Oligodendrozyten (griech. oligos = wenig) und Schwann-Zellen dienen der elektrischen Isolation der Neuronen. Sie können die Axone umwickeln und dienen, ähnlich wie die Gummihülle bei Stromkabeln, als Isolation. Oligodendrozyten (Abb. 4) kommen dabei ausschließlich im zentralen Nervensystem vor, während die Schwann-Zellen Axone in der Peripherie isolieren. Im Allgemeinen spricht man bei Astrozyten und Oligodendrozyten von sogenannten Makrogliazellen (griechisch, makros = groß).
Abbildung 4: Oligodendozyts
Mit ihren langen Ausläufern umspannt die Zelle gleich mehrere Axone und schirmt sie von dem übrigen Milieu elektrisch ab.
Dr. Julian Wagner
Mikrogliazellen
Um zu verhindern, dass Pathogene (Krankheitserreger) das Nervengewebe im zentralen Nervensystem besiedeln, verfügt der Körper über Mikrogliazellen (griechisch, mikros = klein). Diese kleinen und beweglichen Zellen spüren Krankheitserreger auf und eliminieren sie, ähnlich wie die Makrophagen (große Fresszellen) im übrigen Organismus, mittels Phagozytose, weshalb sie auch „Gehirn-Makrophagen“ genannt werden.
Ependymzellen
Einen weiteren Gliazell-Typen bilden die Ependymzellen (griechisch, ependyma = Oberkleid). Diese kleinen Zellen kleiden im zentralen Nervensystem Hohlräume wie die Ventrikel des Gehirns aus. Durch diese Zelllage wird z. B. die Hirnflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) vom übrigen Gehirngewebe getrennt.