Bislang haben wir uns fast ausschließlich mit der äußeren Anatomie und Funktion des Großhirns befasst. Das Großhirn ist allerdings nur eines von sechs Teilen des Gehirns. Grob wird das Gehirn in das Großhirn (Abb.4.22: 1), Zwischenhirn (Abb.: 4–7), Mittelhirn (Abb.: 8), die Brücke (Abb.: 9), Medulla oblongata (Abb.: 10) und das Kleinhirn (Abb.: 12) unterteilt, die sich ihrerseits wiederum aus bestimmten Substrukturen zusammensetzen. Im Folgenden sollen diese Strukturen einzeln vorgestellt werden.
Das Großhirn ist die größte Hirnstruktur. Es erfährt durch eine enorme Furchung eine starke Oberflächenvergrößerung, wodurch auch die Neuronenzahl der Großhirnrinde (Cortex cerebri bzw. graue Substanz) im Verhältnis zum Gehirnvolumen zunimmt. Das Großhirn beherbergt die verschiedenen motorischen und sensorischen Rindenfelder, die der Steuerung von Motorik und der Verarbeitung von Sinneseindrücken dienen. Das Kurzzeitgedächtnis und das Bewusstsein sowie das Verhalten eines Menschen werden ebenfalls hier gesteuert bzw. gebildet. Geteilt durch die Fissura longitudinalis, besteht das Großhirn aus einer linken und einer rechten Hemisphäre, wobei die linke Hälfte die sprachliche Seite darstellt. Im Inneren enthält das Großhirn weitere Hirnstrukturen, wie die tiefliegenden Kern-Strukturen der Basalganglien wie dem Corpus striatum (Streifenkörper; Realisieren von Motivation, Emotion, Kognition und das Bewegungsverhalten auf neuronaler Ebene) und dem Pallidum (dient der Bewegungsförderung/-hemmung), den Hippocampus und die Amygdala (Mandelkern), die auch zum limbischen System gezählt wird.
Der Balken (Corpus callosum) ist die größte Kommissur (Abbildung) im Nervensystem und verbindet die Großhirnhemisphären miteinander. Bei einer Callotomie wird bei Epileptikern der Balken operativ durchtrennt, um das Anfallsrisiko zu senken. Allerdings bleibt eine Callotomie nicht ohne Folgen, wodurch solche Split-Brain-Patienten Sinneseindrücke fehlerhaft interpretieren.
Abbildung 4.21: Fasertypen des Gehirns. Gezeigt sind Assoziationsfasern, die verschiedene Rindenfelder verbinden, Kommissurenfasern, die die Hemisphären verbinden und Projektionsfasern, die das Gehirn mit der Peripherie verbinden.
Der Hippocampus ist entwicklungsgeschichtlich eine alte Struktur und liegt in beiden Temporallappen des Großhirns. Er ist ein nach innen gerollter Bereich der Großhirnrinde und an diversen Funktionen wie Lernvorgängen, dem Gedächtnis, der Aufmerksamkeit, dem Sozialverhalten, der Angstverarbeitung, der Verarbeitung räumlicher Zusammenhänge und der Körperwahrnehmung beteiligt.
Das Zwischenhirn (Diencephalon) liegt zwischen den Großhirnhemisphären und dem Mittelhirn. Es umfasst besonders den Thalamus und den Hypothalamus, die die Hauptstrukturen des Zwischenhirns bilden, aber auch die Epiphyse und die Hypophyse.
Der Thalamus ist die wichtigste Umschaltstelle für afferente Bahnen und verarbeitet den Großteil der Sinnesinformationen auf dem Weg zum Cortex. Er wird auch als Tor zum Bewusstsein bezeichnet.
Der Hypothalamus ist die Steuerzentrale des autonomen Nervensystems. Er steuert nicht nur vegetative, sondern auch endokrine und viszerale Funktionen. So koordiniert der Hypothalamus unter anderem den Wasser- und Salzhaushalt sowie den Blutdruck und die Körpertemperatur.
Die Epiphyse (Zirbeldrüse) beeinflusst über das Neurohormon Melatonin, das besonders in Dunkelheit (nachts) gebildet wird, den Schlaf-Wach-Rhythmus, aber auch die Hautfarbe.
Die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) ist Synthese- und Abgabeort vieler Hormone und wird vom Hypothalamus gesteuert. Die Hypophyse besteht aus einem Hypophysenvorderlappen (Adenohypophyse) und einem -hinterlappen (Neurohypophyse). Sie sind an der Steuerung einer ganzen Bandbreite an Funktionen, wie Sexualität, Wasserhaushalt und Körperaktivität beteiligt.
Das Mittelhirn (Mesencephalon) ist einer der sechs Teile des Gehirns und liegt oberhalb der Brücke. Es kontrolliert viele sensorische und motorische Funktionen (bspw. Oberflächenrezeptoren und Augenbewegung) und koordiniert visuelle und auditorische Reflexe.
Die Brücke (oder Pons) ist ebenfalls einer der sechs Teile des Gehirns. Sie verbindet die beiden Kleinhirnhemisphären und übermittelt Informationen über Bewegungen von den Großhirnhemisphären zum Kleinhirn. Der Balken ist an der Motorikfunktion beteiligt und wirkt beim Schlafen, Träumen und Aufwachen mit.
Das Kleinhirn (Cerebellum) koordiniert die Motorik und das Gleichgewicht. In ihm sind erlernte Bewegungsabläufe, wie das Laufen, Fahrradfahren, Autofahren etc. gespeichert. Der Ausfall des Kleinhirns geht mit dem Verlust der Bewegungskoordination einher.
Das limbische System ist kein direkt abgegrenztes Hirnareal. Es umfasst verschiedene Regionen des Groß- und Zwischenhirns, den Hippocampus und die Amygdala. Die Neuronen dieses Systems bilden komplexe Schaltkreise, die Informationen im Langzeitgedächtnis speichern, und eine wichtige Rolle beim Lernen und bei den Emotionen spielen. Besonders die Amygdala ist zentral an der Bildung von Emotionen beteiligt und verbindet vegetative und endokrine Reaktionen mit emotionalen Gemütszuständen.
Die Medulla oblongata (verlängertes Mark oder Nachhirn) stellt das Zentrum für viele lebenswichtige Reflexe, wie Atmung, Schlucken, Erbrechen, Herzrhythmus und Verdauung dar. Sie liegt direkt oberhalb des Rückenmarks und ähnelt stark dessen Aufbau und Funktion.
Das Rückenmark (Medulla spinalis) liegt im Wirbelkanal der Wirbelsäule und ist ein kräftiger Nervenstrang, der das Gehirn mit den Spinalnerven verbindet. Die Spinalnerven entspringen seitlich aus den Zwischenwirbellöchern aus 31 Nervenwurzelpaaren und gliedern das Rückenmark in 31 Segmente auf.
Das Rückenmark empfängt über die dorsalen Nervenwurzeln (Hinterhörner) sensorische Informationen von der Haut, den Schleimhäuten, den Gelenken und der Muskulatur und leitet über Interneuronen diese an das Großhirn weiter. Zeitgleich leitet es motorische Kommandos vom Großhirn über die Vorderhörner an die Peripherie und kontrolliert so Bewegungen der Skelettmuskulatur (Abb. 2).
Den anatomischen Querschnitt des Rückenmarks unterteilt man in die schmetterlingsförmige graue Substanz und in die weiße Substanz, die – anders als beim Gehirn – die graue Substanz umgibt. In der grauen Substanz liegen die Zellkörper der Neuronen und Interneuronen, deren Axone in der weißen Substanz liegen.