Regulation der Nahrungsaufnahme
Die Gesamtheit der oben beschriebenen Zustände lässt sich als Homöostase von Hunger und Sättigung bezeichnen und ist ein sehr komplexer Vorgang, an dem zahlreiche metabolische, endokrine und neuronale Prozesse beteiligt sind. All diese Prozesse müssen miteinander verrechnet werden, um das Hungergefühl entsprechend zu steuern.
Die Schaltstelle des Hunger- und Sättigungszentrums ist in einer bestimmten Region des Gehirns, dem Hypothalamus, zu finden. Der Hypothalamus kann auch als Kontrollzentrum des Körpers bezeichnet werden, da er die wichtigste Steuerzentrale für viele vegetative Funktionen wie Temperatur-, Schlaf- und Hungerregulation ist.
Vereinfacht lässt sich sagen, dass afferente (zum zentralen Nervensystem (ZNS) führende) Signale von verschiedenen Organen des Körpers sowie einigen Hirnregionen Informationen zum Hypothalamus leiten. Diese werden anschließend ausgewertet und mit einem angestrebten Sollwert verglichen. Anschließend werden Botenstoffe abgegeben, die über die Blutbahn unterschiedliche Steuereinheiten erreichen, welche die Aufnahme von Nahrung regulieren. Durch diese Regulation finden permanent Anpassungen an die aktuelle Situation statt.
Welche Faktoren wirken auf den Hypothalamus?
Die Regulation des Hunger- und Sättigungsgefühls ist ein überlebenswichtiger und komplexer Prozess. Damit der Hypothalamus die Nahrungsaufnahme adäquat koordinieren kann, benötigt er genaue Informationen über den Ernährungszustand (den Ist-Zustand) des Körpers. Diese Informationen erhält er über die Verdauungsorgane Magen, Darm und Pankreas sowie von dem Muskel- und Fettgewebe:
- Magen: Werden Nahrungsmittel aufgenommen, können diese zur Dehnung des Magens und zur Aktivierung von Mechanorezeptoren führen. Diese Information über den Dehnungszustand des Magens wird über afferente Fasern der Vagusnerven an den Hypothalamus weitergeleitet und wirken hemmend auf das Hungerzentrum. Der Magen bildet zudem einen großen Anteil des Hormons Ghrelin. Dieses stimuliert im Hypothalamus das Hungerzentrum. Der Ghrelinspiegel steigt in Hungerphasen an und sinkt nach dem Essen wieder ab. Von verschiedenen Zellen des Magen-Darm-Traktes wird Serotonin freigesetzt. Dieses hat zahlreiche Funktionen im Körper, unter anderem eine hemmende Funktion auf das Hungerzentrum.
- Darm: Wenn bestimmte Nahrungsbestandteile in den Darm gelangen, regen sie durch das Binden an Chemorezeptoren die Bildung verschiedener Hormone an. So stimulieren freie Fettsäuren die Sekretion von Cholezystokinin (CCK) in Zellen des Dünndarms an. Nach der Nahrungsaufnahme wird im Darm außerdem das Glukagon-ähnliche Peptid (GLP-1) freigesetzt. Beide wirken hemmend auf das Hungerzentrum.
- Bauchspeicheldrüse (Pankreas): Durch die Nahrungsaufnahme kommt es zu einer Aufnahme von Glukose und einer Erhöhung des Blutglukosespiegels. Dies führt in der Bauchspeicheldrüse zur Insulin-Ausschüttung. Der erhöhte Insulinspiegel stimuliert das Sättigungszentrum im Hypothalamus und erzeugt somit ein Gefühl von Sättigung. Erreicht der Blutglukosespiegel wieder ein normales Level, sinkt auch die Insulinkonzentration und die Stimulation des Sättigungszentrums entfällt.
- Fettgewebe: Das Fettgewebe speichert nicht nur Triglyceride, sondern kann als endokrines Organ auch Botenstoffe freisetzen. Einer dieser Botenstoffe ist Leptin. Leptin wird in Abhängigkeit von dem Füllungszustand der Fettzellen ausgeschüttet. Sind diese stark „gefüllt“, wird viel Leptin ausgeschüttet und das Sattheitszentrum wird stark stimuliert. Es wirkt als längerfristiger Indikator für die Menge an Energiereserven.
- Sinnesorgane: Optische, akustische, olfaktorische (Geruchssinn) und gustatorische (Geschmackssinn) Reize wirken direkt auf die Nahrungsaufnahme. Sicherlich kennst auch du das Gefühl, wenn du vor dem Sonntagsbraten sitzt und dir das Wasser im Mund zusammenläuft. Dies ist möglich, da zwischen den Verarbeitungszentren von Geschmack und Geruch sowie dem Hypothalamus eine direkte Verbindung besteht und somit kurzfristig das Hungerzentrum stimuliert werden kann.
- Aktivierung des sympathischen Nervensystems: Durch motorische Aktivität, Aufregung oder Stress wird das sympathische Nervensystem aktiviert. Dieses aktiviert den Körper und macht ihn somit bereit, um auf eine potenzielle Gefahr zu reagieren („Fight-or-flight“). Durch seine Aktivierung wird das Sättigungszentrum stimuliert und das Hungerzentrum gehemmt.
Welche Vorgänge laufen im Hypothalamus ab?
Die Integration der verschiedenen Signale erfolgt in einem spezifischen Gebiet des Hypothalamus, dem Nucleus arcuatus (ARC). Der Nucleus arcuatus ist mit zwei unterschiedlichen Systemen von Neuronen ausgestattet:
- Neurone, die das Neuropeptid Y (NPY) und das Agouti-related peptide (AGRP) produzieren und die Nahrungsaufnahme stimulieren sowie
- Neurone, die Proopiomelanocortin (POMC) und cocaine- and amphetamine regulated transcript (CART) produzieren und die Nahrungsaufnahme hemmen.
Beide Neuron-Arten hemmen sich zudem gegenseitig, sodass immer nur eine Neuronengruppe ihre Transmitter abgibt.
Regulation des Hunger- und Sättigungsgefühls
Im Nucleus arcuatus (hier gelb dargestellt) sind Neurone enthalten, die die Nahrungsaufnahme stimulieren (blau dargestellt) oder die Nahrungsaufnahme hemmen (rot dargestellt). Auf diese Neurone wirken verschiedene Signale:
In Hungerphasen sezerniert der Magen das Hormon Ghrelin, das das Hungerzentrum des Hypothalamus stimuliert. Bei Nahrungsaufnahme fällt der Ghrelinspiegel wiederum ab und die Magendehnung führt zur Hemmung des Hungerzentrums. Eindrücke von Sinnesorganen wie Geruch und Geschmack können zusätzlich zur Stimulation des Hungerzentrums führen. Aus dem Darm stammendes Cholezystokinin (CCK) und Glukagon-ähnliche Peptid (GLP-1) wirken hemmend auf das Hungerzentrum. EIne stimulierende Wirkung auf das Sättigungszentrum haben Insulin aus dem Pankreas, Leptin aus den Fettzellen und Impulse des sympathischen Nervensystems.
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